Kunst ist eine Droge ...

10.07.2016 - , BM

Kunst ist eine Droge ...... wir können weder mit noch ohne sie auf Dauer sein.

Die Kunst ist weiblich, für den Menschen so faszinierend und unverzichtbar wie eine Frau für einen Mann. Die Kunst wird vorwiegend durch das Weibliche gefordert und der Mensch ist darum für die Kunst so unverzichtbar wie ein Mann für eine Frau.

Der Mensch verspricht sich von Kunst ein besseres, ein angenehmeres Leben, darum entwickeln wir sie grundsätzlich euphorisch, ungebremst.

Kunst kann natürlich oder widernatürlich sein. Erstere geht nach deren Schaffung unmittelbar restlos in der Natur auf, die Übergänge von einer zur anderen sind fließend. Das eine Extrem ist die Musik, das andere Extrem ist eine zunehmend künstlichere Technik in allen Bereichen.

Diejenige widernatürliche Kunst, die wir brauchen, die hilft unsere Primärbedürfnisse zu befriedigen, ist unsere Medizin und diejenige die wir nicht brauchen, ohne die wir leben können, wird mit ihrer Implementierung und ihrem Nichtgebrauch augenblicklich zu einem belastenden, lebensfeindlichen, widernatürlichen Müll.

Entwickelte Kunst lässt sich nicht mehr ungeschehen machen, sie wird zunehmend notwendig, erhöht unsere Abhängigkeit von Kunst und ist uns eine zunehmende, belastende Hypothek.

Die Grundlage, der Rohstoff für Kunst ist Natur. Den Treibstoff zur Umwandlung liefert der Mensch in Form von Leben und Blut. Ein künstlicheres Sein fordert darum immer mehr Leben zum Tod, als ein natürlicheres Sein[1]. Je künstlicher ein Zustand wird, desto mehr Blut ist dazu erforderlich. Unsere Kunst verbraucht darum Leben, vom kleinsten bis zum größten und es geht uns darum endlich selbst ans Leben. Wir elaborieren so die Kunst mit dem Leben der Erde und mit unserem eigenen. Wir leben und sterben für die Kunst. Wir sind gleichzeitig Schöpfer, Treibstoff, Nutznießer und Leidtragende unserer Kunst. Es gibt darum für den Menschen und für das Leben ein Optimum an Kunst.

Wenn die Entwicklung der Kunst durch einen Entwickler dem Universum immanent ist, dann gibt es bei dieser Entwicklung nicht nur ein Optimum an Kunst für den Menschen, sondern auch eine optimale Entwicklung aus Sicht der Kunst selbst. Dieses Optimum schließt ihren Entwickler ein, denn ohne diesen würde sie nicht entwickelt werden. Eine Kunstentwicklung im Universum gibt so den optimalen Takt für deren Entwickler vor. Solange der Mensch die Kunst entwickelt, solange ist es aus Sicht der Kunst optimal wenn ihr Entwickler durch sie selbst minimal geschädigt wird.

Wenn wir unser Schicksal als Aufgabe annehmen, dann ergibt sich daraus eine Pflicht zum Selbstschutz, zu einer Selbstbewahrung, also zu einer optimalen Kunstentwicklung im Sinne des Lebens. Es ergibt sich mithin für den Menschen eine Pflicht zu einem kulturellen Handeln, zu einem optimalen Verzicht, der sich so zwischen Askese und Hedonismus in Form einer gemilderten Askese befindet, dass unsere Primärbedürfnisse optimal erfüllt, also nicht übererfüllt sind, wir keine lebensschädigende Leerlaufkunst betreiben. Lebensschädigende Leerlaufkunst ist eine geschaffene Kunst welche uns schadet aber im im Sinne des Lebens nicht nützt, vergleichbar einem im Leerlauf laufender Motor, der lebensschädlich hergestellten Treibstoff verbraucht, lebensschädliche Abgase ausstößt, aber keine ihm zugedachte Arbeit verrichtet.

Weil alles aus der Natur kommt, weil wir Natur sind, weil Natur alles heilt, darum ist Natur heilig und wir sollten im eignen Interesse demütig und respektvoll mit ihr umgehen. Wir sollten sehr behutsam von ihr nehmen und wir sollten Kunst mit Bedacht, aus Notwendigkeit, mit wachem Verstand aus ihr entwickeln. Wir sollten Kunst nicht zum Spaß entwickeln, wir sollten nicht sinnlos Blut vergießen, wir sollten weder direkt noch indirekt zum Spaß töten.

Kultur ist der Vorgang, welcher Kunst im Sinne des Lebens und damit im Sinne des Menschen optimal entwickelt. Diese Entwicklung findet ihr Optimum mit Wu Wei, dazu ist eine Verzichtbereitschaft erforderlich.

Weil eine Kultur von jedem Einzelnen Verzichtbereitschaft fordert, so ist ein kulturelles Handeln mit einer zunehmenden Zahl von Menschen schwieriger.

Weil zur Verantwortung eine Erkenntnis erforderlich ist und weil mit einer zunehmenden Künstlichkeit eine Entfremdung von der Natur einher geht, so ist ein kulturelles Handeln aus Einsicht bei einer zunehmenden Zahl von der Natur Entfremdeten weniger wahrscheinlich.

Weil ein Rückbindungsverlust, ein religiöser Glaubensverlust, eine gemeinsame kulturelle Handlungsnorm schwinden lässt, so ist mit einer zunehmenden Zahl von Ungläubigen ein kultureller Verlust verbunden.

Weil  Verzichtbereitschaft wenig geeignet ist um mächtig zu werden, Macht und Verzicht selten zusammen zu beobachten sind, so ist eine mächtige Gesellschaft deren Macht der Individuen groß und eine Verzichtbereitschaft klein ist, wenig geneigt kulturell zu sein. Eine individuelle Machtverteilung, eine individuell hohe Gestaltkraft, ein Individualismus, gepaart mit einer mangelnden Verzichtbereitschaft führt zu einem kulturellen Niedergang[2]. Eine Gesellschaft ist dann kulturell produktiv, wenn die Macht bei einem Souverän konzentriert ist und dieser sie am wenigsten für sich selbst, sondern optimal für sein Volk mit einer kulturellen Handlungsnorm ausübt. Die Macht eines Sterblichen ist endlich und darum verbraucht sich dessen Macht mit deren Gebrauch. Jeder Mächtige täte darum gut daran seine Macht und damit Kunst mit Bedacht einzusetzen so er mächtig bleiben will und diese Macht weiter geben möchte. Ein kultureller, rückgebundener Mächtiger ist darum ein demütiger Machtverwalter.

Aktuell leben wir in einer Phase der Geschichte in der Kunst weitgehend ungebremst entwickelt wird, wir verbrauchen und verkürzen aktuell also viel Lebenszeit unserer Art, Lebensmöglichkeit. Es handelt sich um eine tendenziell erotische Phase der Geschichte, wir verausgaben uns, wir leben von den kulturellen Reserven der Vergangenheit. Wir versuchen eine künstliche Art zu zeugen, von der wir nicht annehmen dürfen, dass sie unsere Freunde sein werden. Und wir haben eine Kunst entwickelt, die uns selbst zerstören kann. Diese sehr künstliche, widernatürliche Kunst zum Beispiel in Form von Techniken der Kernspaltung, der Biochemie, der Genetik, ist fehlerintolerant. Das Leben des Künstlers hängt also am seidenen Faden und verträgt keine nennenswerten Fehler mehr. Der Mensch befindet sich in der Endphase eines Evolutionszyklus[3], seine Aufgabe ist aber noch nicht erfüllt.

Viele Menschen können Natur, Kunst und Kultur nicht sicher unterscheiden, sie verwechseln vieles. Sie bilden mit ihrem kulturell wenig zielgerichteten Handeln so insgesamt ein natürliches Prinzip eines evolutionsentscheidenden Zufalls ab. Diese Vorgänge sind natürlich, sind Schicksal, sie sind dem Universum immanent. Die Menschheit heute scheint insgesamt grundsätzlich so wenig anders leben zu können als sie es tut, wie die Menschen aller vergangenen Kulturen vor ihnen.

Einzelne können erkennen, sich nach ihren Erkenntnissen richten, wahlweise verzichten und für sich die passendere, die zuträglichere, die zu ihrem Leben erforderliche Menge an Kunst auswählen, das ist ein Segen.



[1] Ich denke beispielhaft an die Spiele Roms: Ein enormer, blutiger Aufwand wurde betrieben um die Arenen zu bauen, sie zu schmücken, die wilden Tiere aus dem ganzen Reich zu fangen, sie zu dressieren, die Gladiatoren auszubilden, die Requisiten, die Arenen in Gang zu halten in denen morgens großes Theater mit einem Sterben von wilden Tieren, mittags öffentliche Hinrichtungen, nachmittags die Kämpfe der Gladiatoren stattfanden. Diese Spiele, diese Vorführungen, diese Kunst, dieses künstliche Blutvergießen war nur durch Eroberungen, durch Krieg und Beutezüge möglich - Blut für Blut, Blut für die Kunst, die Kunst für die Macht – ein einziges Blutbad. Indessen nicht nur Rom, sondern die gesamte Geschichte der Menschheit ist ein sich steigerndes Blutbad für die Kunst – es ist nur nicht immer auf den ersten Blick sichtbar.

[2] Weil es uns langfristig nicht möglich ist auf ein kulturelles Handeln zu verzichten, so wird sich eine Notwendigkeit gegen einen Individualismus ergeben – ein Individualismus überkommt sich selbst.

[3] Vergleichbar der Paarungszeit derjenigen Lachse, welche das Glück haben sich an ihrem Lebensende paaren zu können, um nach der Zeugung ihrer Nachkommen zu sterben, damit diese durch sie sind und um andere mit ihren Überresten zu nähren.

 

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