Wie der Hirsch genutzt werden kann

17.09.2012

Wie der Hirsch genutzt werden kann1. Das Fleisch oder Wildbret des Hirsches ist, nach dem Alter, Geschlecht und der Jahrszeit, von unterschiedener Güte. Das Fleisch der Kälber ist das delicateste Wildbret; und wie die Thiere weiblichen Geschlechts ein zarteres Fleisch haben, als die Thiere männlichen Geschlechts, so gibt man dem Kalbe weibliches Geschlechts (dem Wildkalbe) noch den Vorzug vor dem Kalbe männliches Geschlechts (dem Hirschkalbe).

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1. Das Fleisch oder Wildbret des Hirsches ist, nach dem Alter, Geschlecht und der Jahrszeit, von unterschiedener Güte. Das Fleisch der Kälber ist das delicateste Wildbret; und wie die Thiere weiblichen Geschlechts ein zarteres Fleisch haben, als die Thiere männlichen Geschlechts, so gibt man dem Kalbe weibliches Geschlechts (dem Wildkalbe) noch den Vorzug vor dem Kalbe männliches Geschlechts (dem Hirschkalbe). Es gibt Leute, welche um es zu essen, diese Zeit nicht einmahl erwarten, sondern es bereits in dem Eingeweide seiner Mutter aufsuchen, deren Bauch sie aufschneiden, um die Frucht heraus zu hohlen, welche sie hernach mit Vergnügen verzehren. Meines Erachtens aber muß das Fleisch in diesem Zustande eher schädlich als nützlich seyn, weil es alsdenn noch allzu schleimig, und mit überflüssigen Feuchtigkeiten gar zu sehr angefüllt ist. Das Fleisch vom Spießer ist mittelmäßig; das von einem Schmahlthiere ist niedlicher. Das Wildbret der jungen Hirsche im zweyten und dritten Jahre, hat, der Güte nach, den dritten Rang. Vom vierten bis zum siebenten Jahre wird das Fleisch des Hirsches immer härter, und weniger delicat. Das Wildbret eines Thieres oder Wildes (des Weibchens des Hirsches) ist weit milder, als das Wildbret der Hirsche männliches Geschlechts. Zur Zeit der Hirsch=Feiste, da der Hirsch auf dem Felde das meiste Geäß hat, wenn er in die Kornfelder tritt, und sich von den Körnern des Getreides nähret, nähmlich von Jacobi an, haben die alten Hirsche den besten Geschmack. Vor dieser Zeit haben sie nur schlechtes Wildbret, nach derselben aber noch schlechteres. Spießer und Schmahl=Thiere sind, weil ihr Wildbret um der wenigern Jahre willen, auch ohne Feist noch schmeckt, schon eher gut zu essen. Wenn sie Ruhe des Nachts auf den Saat=Feldern gehabt haben, werden sie schon zu Anfange des Junius niedliche Braten geben können.

2. Es ist eine ausgemachte Wahrheit, daß der Hirsch zur Sommerszeit, und insonderheit im Angustmonathe, von weit herrlicherm Geschmacke sey, als im Winter, und zwar wegen der Früchte, welche er in dieser Jahrszeit genießt, und welche ihn beträchtlich feist machen. Unterdessen halten doch Einige dafür, daß man im Sommer kein Hirschfleisch essen müsse, weil der Hirsch sich alsdenn von Vipern, Schlangen und andern Thieren, welche sie für sehr giftig ansehen, nähret, gerade als wenn der Hirsch dergleichen nicht zu allen Zeiten des Jahres äße. Allein, warum will man sich einbilden, daß diese Thiere, innerlich genossen, so schädlich seyn, da man ganze Vipern, ohne Nachtheil der Gesundheit, verzehret? Gesetzt auch, daß die Viper und Schlange, wenn sie durch den Mund eingenommen werden, bisweilen die Wirkung eines Giftes bey uns hervor zu bringen vermögend seyn, welches doch grundfalsch ist: folgt denn daraus, daß man sich zu der Zeit, wenn der Hirsch von solchen Thieren gegessen hat, des Genusses seines Fleisches enthalten müsse, weil man behaupten will, daß es alsdenn die schädlichen Eigenschaften der Viper und Schlange an sich genommen habe? Essen wir denn nicht alle Tage solche Thiere, welche von Nahrungsmitteln leben, deren einige für uns purgierend, und andere giftig sind?

3. Plinius erzählt, daß er Frauenzimmer gekannt habe, welche alle Morgen Hirschfleisch gegessen haben, um sich vor das Fieber in Verwahrung zu setzen, weil sie wahrscheinlicher Weise glaubten, daß der Hirsch von dem Fieber verschont bleibe. Es war aber dieses eine eben so leere Einbildung, wie diejenige, welche einige Leute haben, die durch den Genuß eben dieses Fleisches ihr Leben zu verlängern glauben, weil man dafür hält, daß dieses Thier viele Jahrhunderte leben solle, worüber mich bereits oben erklärt habe.

4. Kurz vor der Brunft, und noch mehr während derselben, vom Sept. an bis zu Ende des Octobers, ist das Wildbret des Hirsches nicht nur sehr mager, sondern hat auch einen sehr unangenehmen Geruch und widerlichen Geschmack; es läßt sich nur alsdenn essen, wenn man die Vorsicht braucht, dem bey einer Brunft=Pursche geschossenen Hirsch, so bald er zur Erde sinkt, das kurze Wildbret (die Hoden) auszuschneiden. Nach der Brunftzeit kann das Wildbret eines Spießers oder jungen Hirsches nur gute Speise seyn, wo in einem Gehäge viel alte Hirsche stehen, welche die jüngern Hirsche von dem Wilde abtreiben, und solche nicht hinzu lassen.

5. In den Küchen nennt man Hirschwildbret überhaupt das eßbare Fleisch von einem Hirsche, besonders das derb gewachsene Fleisch an den Keulen, dem Buge, Ziemer und Rücken (zum Unterschiede von dem Kochwildbrete, worunter der Hals, die Brust, und die Krieben, Wände oder Seiten, begriffen sind,) welches theils gekocht, theils gebraten, theils gedämpft, theils in Pasteten geschlagen, und entweder mit oder ohne Brühe zubereitet wird. Wegen der Vorbereitung ist zu erinnern, daß dieses Fleisch erst wohl zu häuteln ist, und wenn es etwa vom Schusse sehr schweissig wäre, mit siedendem Wasser gebrühet, auch rein ausgewaschen werden müsse.

6. Will man es nun dämpfen, so durchzieht man dasselbe mit beynahe eines kleinen Fingers dick geschnittenem Speck, welcher mit Ingber, Pfeffer und Salz bestreuet worden. Hierauf setzt man in einer Casserole Butter und Speck auf ein Kohlfeuer, und läßt es zusammen braun werden. Nach diesem bestreuet man das Wildbret mit Mehl, legt es in die heiße Butter, und läßt es auf beyden Seiten braun werden; gießt alsdenn gute Fleischbrühe daran, worin es eine Weile dämpfen muß, thut auch ein halbes Nößel Wein dazu, wirft eine mit Nelken besteckte ganze Zwiebel nebst einigen Lorbeerblättern daran, und würzet es mit Ingber, Pfeffer, Nelken und Citronschalen ab; läßt dieses alles zusammen so lange dämpfen, bis das Wildbret weich genug ist. Wäre die Brühe noch nicht dick genug, kann noch ein wenig braunes Mehl daran gebrannt, bey dem Anrichten aber klein geschnittene Citronschale darüber gestreuet, die Zwiebeln aber wieder heraus genommen werden. Wer Belieben trägt, kann über dieß Kapern, oder Sardellen, imgleichen einen halben Eßlöffel Wachholderbeeren hinzu thun.

7. Hirschwildbret in eine Pastete einzuschlagen. Man nimmt von einer Hirschkeule ein Stück, oder lieber gleich die Hälfte, (bisweilen werden auch ganze Keulen eingeschlagen,) häutelt es rein ab, und läßt es auf dem Roste ein wenig anlaufen; hernach salzt man es, läßt es etliche Tage in Essig stehen, worüber einige Scheiben von Zwiebeln gelegt werden. Wenn es nun eingeschlagen werden soll, durchzieht man es mit beynahe eines kleinen Fingers dick geschnittenem Speck, den man mit Ingber, Pfeffer, gestoßenen Nelken und Salz bestreuet hat, schlägt es in eine förmliche Pastete von gebranntem Teig, und läßt sie wohl bis 5 Stunden in einem Ofen gehörig backen. Unterdessen wird Butter mit etwas Mehl gebräunet, welches in Fleisch. Brühe, Wein und Essig, ein wenig aufkochen muß. Diese Brühe wird hernach mit derjenigen, die von dem Einbeitzen übrig geblieben ist, durch ein oben in den Deckel gemachtes Loch, vermittelst eines Trichters, in die Pastete gelassen, und diese wieder in den Backofen gesetzt, daß sie noch eine Weile dämpfe. Hernach aber kann sie warm oder kalt aufgetragen werden.

8. Will man seine Soße verändern, so kann man Kapern, Sardellen, Oliven, Schalotten, Zwiebeln und dergleichen Sachen, wenn sie gehörig vorbereitet sind, nur in die Brühe hinzu thun. Wenn man eine Schalotten= oder Zwiebel=Soße haben will, muß man davon nicht wenig nehmen, weil diese Soße scharf schmecken soll. Deswegen füget man wohl gar Knoblauch hinzu, welcher großem und grobem Fleische keinen unangenehmen Geschmack zu Wege bringt.

9. Auf gleiche Weise kann man mit Pasteten von Rind=Fleisch, vom Rehe, vom wilden Schweine, vom Hammelbuge, vom Hasen u. s. w. verfahren, und eine dazu schickliche Soße bereiten.

10. Hirsch= und Reh=Wildbret gut zu braten, muß dasselbe gespicket, und währendem Braten mit Butter fleißig begossen werden. Wenn der Hirsch, zur Zeit der so genannten Hirschfeiste, sehr fett ist, dürfen die Ziemer gar nicht gespickt werden. Man findet sie öfters alsdenn dermaßen feist, daß man ihnen das Fett, wenn es einige Querfinger dick ist, zur Hälfte sauber abschälet, und also an den Spieß steckt. Die Hinter=Ziemer der Hirsche und Rehe behalten, zur Zierde, ihre Enden (Schwänze), die man auch wohl mit Papier besteckt, damit die Haare nicht beym Braten an= oder abbrennen. Auch die Läufe (Füße) werden nicht abgehauen. So müssen auch die Schalen und das Geäfter (die vordersten und die kleinen Klauen an den Läufen) nicht weggenommen werden. Die Läufe werden, vermittelst eines Schnittes zwischen der großen Sehne und dem Knochen der Beine, zierlich durchgesteckt und umgebogen, auch die Läufe mit Papier besteckt, damit die Haare rein und unversenget bleiben. Viele glauben ihrem Braten einen bessern Geschmack zu verschaffen, wenn sie denselben mit zerstoßenen Wachholderbeeren bestreuen; wenigstens dienen diese Beeren dazu, daß ein ältelnder Geschmack des Wildbretes damit vertrieben werden.

11. Der Rest eines Hirsch= oder Reh=Bratens kann eingehacket, und mit solchen Brühen, als bey dem Hasenbraten, im XXII Th. S. 168, f. angegeben worden, bereitet werden.

12. Das beste am Hirsche ist das Hintertheil auf dem Rücken desselben, von welchem die Keulen abgelöset sind, oder der so genannte Ziemer. Es geht derselbe so weit als die Eisbeine reichen, und wo sich der Rückgrathsknochen anfängt. Einen solchen Hirschziemer, außer der gewöhnlichen Art zu braten, delicat zuzurichten, verfährt man folgender Maßen. Man nimmt einen fetten Hirschziemer, wäscht denselben sauber aus, durchflößt ihn hierauf mit grobem Speck, wie man eine à la daube spickt, steckt etliche hölzerne Spießchen durch, setzt ihn in einem großen Topfe oder Kessel zum Feuer, gießt Wasser, Essig und Wein darauf, salzet ihn, wirft allerhand Kräuter, als: Rosmarin, Lorbeerblätter, Thymian, Salbey, Isopp und eine Zwiebel dazu, und läßt ihn kochen, bis er bald weich wird. Hernach nimmt man ihn heraus, legt ihn auf eine Torten= oder Brat=Pfanne, läßt ein hausgebackenes Brod reiben, vermischt dieses mit Zucker, Zimmet, Ingber, klein geschnittenen Citronschalen, einem Par Eyer, zerlassener Butter, Wein, und ein wenig von dem Fette, worin der Ziemer gekocht worden ist, imgleichen etwas Brühe; macht alles als einen Teig, bestreicht den Ziemer mit Eyern, und überzieht ihn von oben her ganz und gar einen Finger dick mit diesem Teige, streicht es mit einem warmen Messer fein glatt zu, begießt ihn mit zerlassener Butter, und streuet geriebene Semmel darüber; setzt denselben endlich in einen heißen Back=Ofen, und läßt ihn also backen. Bey dem Anrichten streuet man Zucker und Zimmet darüber. Soll nun eine Brühe dazu kommen, so setzt man in einer Casserole Butter auf Kohlenfeuer, und läßt sie heiß werden, thut hernach ein Par Hände voll geriebene Semmel darein, läßt sie kastanienbraun rösten, gießt ferner Brühe und Wein darauf, würzt es mit Zucker, Citron=Schalen und Citronscheiben, und läßt dieses kochen, bis es ein wenig dick wird. Diese Brühe muß man nicht über, sondern unter den Ziemer gießen.

13. Einen Hirschziemer auf eine andere Art anzuschlagen. Man bereitet einen Hirschziemer, wie vorher beschrieben worden, und schlägt ihn folgender Maßen an. Man nimmt 1 Pfund Mandeln, läßt sie einen Sud thun, zieht ihnen die Schale ab, stößt sie alsdenn in einem Mörser, doch nicht gar zu klein, wie zu einer Mandeltorte, und thut sie in einen Tie<23, 728>gel oder in eine irdene Schüssel; hernach weicht man Semmel ein, drückt solche wieder ganz rein aus, und schüttet sie nebst 2 Händen voll geriebener Semmel auch zu den Mandeln, schlägt 6 Eyer daran, gießt 1/2 Nößel Sahne hinein, würzt es mit Zucker, Zimmet, Muskatenblüthen und klein geschnittenen oder geriebenen Citronschalen; dieses alles rührt man durch einander klar ab. Ferner läßt man 1/2 Pf. Butter zergehen, welche man auch darunter laufen lassen muß. Hierauf beschlägt man den Ziemer mit Eyern, schlägt ihn mit der abgerührten Mandel=Farße an, streicht ihn aber fein glatt zu; nimmt einen Pinsel, zerklopft ein Ey, bestreicht damit den Ziemer, wie eine Pastete; läßt auf die bestrichenen Eyer klare Butter laufen, streuet geriebene Semmel darüber, und setzt ihn in einen Backofen. Dieser aber darf nicht so scharf gebacken werden, wie der vorige. Wenn er nun im Backofen jähling Farbe bekommen sollte, deckt man einen Bogen Papier darüber, bereitet aber unterdessen folgende Brühe. Man setzt in einem Tiegel oder einer Casserole ein Stück Butter auf das Feuer, streuet geriebene Semmel darein, gießt Brühe, Wein, und einen Löffel voll Essig dazu, und läßt dieses zusammen kochen, würzt es mit Muskatenblüthen, Ingber, Zucker, Zimmet, vielen Citron=Schalen und Citronscheiben, daß es recht piquant wird; richtet hernach diese Brühe in die Schüssel an, und den angeschlagenen Ziemer darüber, garnirt ihn aufs zierlichste, und läßt ihn auftragen.

14. Das Kochwildbret wird, nach eines jeden Belieben, in Stückchen geschnitten, ausgewaschen, im Wasser weich gekocht, verkühlt, sodenn ausgeputzt, und in einer Brühe mit Wachholderbeeren und Zwiebeln, mit Mandeln und Rosinen, mit Morcheln und Petersilienwurzeln, mit Pflaumenmus, mit Brodpfeffer u d gl. zugerichtet; wobey noch zu merken ist, daß das Hirschfleisch die Hälfte seines Salzes in sich habe, folglich nur ein wenig gesalzen werden dürfe.

15. Hirschfleisch mit einer Weinbrühe. Man läßt das Fleisch mit ein wenig weiß gebranntem Mehl, Salz, Lorbeer=Blättern, und einem Par ganzer Zwiebeln kurz einkochen, thut hierauf etwas Wein, geriebene Citronenschale und Citronen=Saft, Zucker und Korinthen hinzu; und wenn es ein wenig damit durchgekocht ist, füget man noch ein Par abgerührte Eyer=Dotter hinzu.

16. Auf gleiche Art kann auch der Rest eines Hirsch= und Reh=Bratens, zur Veränderung, zubereitet werden.

17. Außer dem Wildbret ist von dem Hirsche noch verschiedenes in der Küche als ein delicates Essen zuzubereiten. Dergleichen sind die Ohren, Kolben und Läufe.

18. Die Hirschohren pflegen, nachdem sie nebst dem Maule vom Kopfe geschnitten, in Wasser gekocht, und ihnen, wenn sie weich sind, die Haut sammt den Haaren abgezogen, reinlich geputzt, auch einige Zeit im kalten Wasser gelegen, hierauf aber entweder wie Nudeln klein geschnitten, oder plätzchenweise wie die Trüffeln zertheilt worden, theils als ein Fricassee, theils mit Muscheln, Trüffeln, theils mit Pinien und Citronschalen, Maskatenblüthen, oder grüner Petersilie, zugerichtet zu werden.

19. Die Hirschkolben, oder das junge, noch weiche und etwa nur einer Hand hohe Gehörn eines Hirsches bekommt man erst nach Johannis. Von einem oder zwey Hirschen kann man keinen großen Tiegel voll zu Wege bringen, daher sie auch nur in großer Herren Küchen zugerichtet werden. Wenn nun Hirsche einkommen, die nur ihr weiches Gehörn haben, schneidet man die Kolben unter den Augensprossen ab, und legt sie über Nacht in kaltes Wasser, damit es den rothen Schweiß heraus ziehe; hernach setzt man sie im Wasser zum Feuer, und läßt sie kochen, bis sie weich werden, alsdenn zieht man ihnen die Haut ab, und beschneidet sie mit einem scharfen Messer, legt sie hierauf wieder in kaltes Wasser, und richtet sie mit Trüffeln, mit saurer Limonie, fricassirt, oder mit einer wohlgewürzten Butterbrühe, zu.

20. Hirschkolben mit Trüffeln. Man schneidet die geputzten Kolben scheibenweise, und weicht Trüffeln in Fleischbrühe, damit sie ein wenig weich werden; thut alsdenn dieses zusammen in eine Casserole, schneidet Citronenschale daran, legt Muskatenblüthen und ein Stück gewaschene Butter dazu, passiret alsdenn dieses so lange auf Kohlen, bis die Butter völlig zerschmolzen ist. Darnach kann man Brühe oder Coulis darauf gießen, nach dem die Farbe am Ragout seyn soll. Endlich wirft man eine ganze Zwiebel hinein, die aber beym Anrichten wieder heraus gethan werden muß, läßt es noch ein wenig kochen, und richtet es an.

21. Hirschkolben mit Butter und Muskatenblüthe. Man schneidet die geputzten Kolben scheibenweise, thut sie in einen Tiegel oder in eine Casserole, legt ein Stück ausgewaschene Butter nebst Muskatenblüthe und etwas Citronschalen daran, passirt es ein wenig auf dem Kohlfeuer, streuet klein geriebene Semmel hinein, gießt eine gute Fleischbrühe daran, und läßt es ein wenig auf Kohlen wieder aufkochen.

22. Hirschkolben fricassirt. Wenn sie scheibenweise geschnitten sind, thut man sie in einen Tiegel, legt ein Stück Butter daran, und passirt diese. Hernach schneidet man Citronenschalen, und legt dieselben nebst Muskatenblüthe und einer ganzen Zwiebel hinein; gießt alsdenn gute Brühe und Wein darauf, und läßt es ein wenig kochen. Wenn bald angerichtet werden soll, schlägt man 3 bis 4 Eyerdotter in ein Töpfchen, und zerquirlt diese mit einigen Tröpfchen Weinessig recht klar. Wenn das Fricassee im Kochen ist, schüttet man die Brühe an die Eyerdotter, quirlt es ganz klar ab, und gießt diese Brühe wieder an das Fricassee. Man darf es aber nicht wieder kochen lassen, sonst rinnt es zusammen. Bey dem Anrichten sprenget man oben zerlassene Butter darüber, auch drückt man von einem Par Citronen den Saft daran.

23. Hirschkolben mit saurer Limonie. Nachdem die Kolben geputzt sind, schneidet man sie scheibenweise, thut sie in einen Tiegel, und legt ein Stück Butter und Muskatenblüthe daran. Hernach nimmt man eine eingesalzene Limonie, schneidet sie ebenfalls scheibenweise, legt sie erst eine Weile in kaltes Wasser, damit sich das Salzige etwas heraus ziehe; thut sie hierauf zu den Hirschkolben, streuet geriebene Semmel darauf, gießt Brühe und ein wenig Wein daran, setzt dieses auf Kohl=Feuer, und läßt es kochen, bis eine dicke Brühe wird. Bey dem Anrichten drückt man Citronensaft hinein.

24. Die Hirschfüße oder Hirschläufe werden gemeiniglich wie der Rinder und Kälber Füße in der Küche zubereitet; doch pflegt man sie auch einzulegen, welches folgender Maßen geschieht. Wenn sie abgehauen worden, schneidet man sie mitten entzwey, läßt sie kochen, bis sie gar werden, putzt sie hernach rein an Haut und Haaren ab, wie die Hirschohren oder Hirsch=Kolben, und legt sie in kaltes Wasser, damit sie schön weiß werden. Man nimmt ein Fäßchen, worein sie gelegt werden sollen, thut unten am Boden Lorbeer=Blätter, ein wenig Rosmarin, Citronschale, und allerley ganze Gewürze; legt alsdenn eine Lage solcher Hirschläufe, und denn wieder die vorigen Species, bis das Fäßchen voll ist. Alsdenn schlägt man es zu, bohrt ein Loch in den Deckel, läßt guten Weinessig durch einen Trichter hinein laufen, vermacht das Loch mit einem Stöpsel, setzt das Fäßchen an einen kühlen Oxt, und wendet es alle Tage, oder auch binnen etlichen Tagen einmahl um: so dienen sie kalt zu verspeisen.

25. In Siam werden auch die Sehnen der Hirschbeine, welche man trocken in Bündeln wie Stricke verkauft, gegessen.

26. Aus den langen und geraden Schienbeinknochen werden besonders Stiele zu Gueridons oder Leuchter=Stühlen verfertiget.

27. Die Wogulen essen, zur Zeit der Noth, Kraftsuppen von den zerschlagenen Knochen desselben.

28. Die Eskimaux, ein nordamerikanisches Volk an den Küsten von Labrador und der Hudsonsbay, zieren bisweilen ihre Kleider am Rande mit den Zähnen von Hirschkälbern.

29. Im Handel gebraucht man die Hirschhäute, Fr. Peaux oder Napes de cerf, entweder roh, die noch so sind, wie man sie dem Thiere abgestreift hat, und die man von den Jägern an großer Herren Höfen, wo viele Hirsche gefället werden, stückweise kauft; oder zubereitet, zugerichtet und gegärbt, die von den Handwerkern entweder zu ihrem eigenen Gebrauche, oder zum Behuf anderer zugerichtet sind. Sie bekommen aber ihre Zurichtung, 1) von den Kürschnern, die damit eben so, wie mit anderm Pelzwerke umgehen, und sie insonderheit zu Müffen verarbeiten; 2) von den Lohgärbern, die solche auf eben die Art, wie das Kalbleder zurichten; 3) von den Weißgärbern, die sie zu sämischem oder weißem Leder verarbeiten, von denen sie alsdenn an die Beutler und Handschuhmacher verkaufet werden, welche Reitcollete, Beinkleider, Handschuhe, Degenkoppel und anderes Riemenwerk daraus machen; wie sie denn auch gern von den Schustern zu Stiefeln verarbeitet werden. Durch die beyden letztern Zubereitungen verändern sie auch ihren Nahmen, und werden, nachdem solche geschehen sind, gemeiniglich Hirschleder genannt. Eine schöne auf sämische Art ausgearbeitete Hirschhaut ist sehr weich und dauerhaft, und nach dem sie am Leder rein, egal und geschmeidig gearbeitet ist, den Bockfellen weit vorzuziehen.

30. Die Koräken, eine Nation an den Gränzen von Rußland, brauchen Hirsch= und Hunde=Häute zu ihrer Kleidung, welche sie mit, zu feinem Pulver gestoßenen, Erlenrinde färben. Die Tungusen machen lederne Schläuche aus der Hirschhaut, welche sie mit Hirschsehnen nähen, von Haaren befreyen und durchräuchern. Die Wilden in Neu=Orleans gebrauchen die weißen Hirschhäute, so wie anderes weißes Pelzwerk, als Friedenszeichen, die sie dem Feinde, mit dem sie sich aussöhnen wollen, darbringen. Die Bewohner der Hudsonsbay bedecken ihre Zelte mit Hirschhäuten. Die aus Bretern bestehenden Schneeschuhe der Tungusen sind mit den Häuten von den Füßen des Hirsches überzogen, deren Haare, welche auswärts gekehrt sind, sich sperren, wenn es Berg auf geht, und das Zurückgleiten verhüten.

31. Bey dem Einkaufen der Hirschhäute und des Hirschleders hat man vornehmlich dahin zu sehen, ob sie groß oder klein sind, oder Löcher haben, und ob deren viel oder wenig sind, welche letztere Häute oder Leder nur zu Handschuhen gebraucht werden können. Daß diese Löcher in den Hirschhäuten von den Enderlingen herrühren, habe oben erwähnt.

32. Das Hirschhaar, Fr. Poil de cerf, oder dasjenige Haar, welches bey dem Garmachen der Hirschhäute von den Gärbern abgeschabet oder abgestoßen wird, gebrauchen die Tapezierer, Täschner, Sattler und Haardeckenmacher sehr vortheilhaft zum Ausstopfen der Sättel, Küssen u. d. gl.

33. Das Hirschhorn oder Hirschgeweih, dasjenige Gehörn, welches der Hirsch alle Jahre abwirft, ist eine Jagdnutzung; daher dasselbe in den Wäldern zusammen gelesen, und in den Jagdordnungen befohlen wird, wenn es der Unterthan findet, solches einzuliefern. Hirschhorn, welches ohne Attestat der Forstbedienten in die königl. preuß. Lande eingebracht wird, ist, laut Ordre v. 31 May 1720, zu confisciren; und kann, laut Ordre v. 14 Febr. 1751, ohne Erlaubniß der Kammer nicht außerhalb Landes gebracht werden.

34. Das Hirschhorn wird entweder zum Zierath ganz gelassen, oder in kleine Stücke zerschnitten; auch zu dünnen Spänen geraspelt oder geschabet, die alsdenn geraspeltes Hirschhorn, L. Cornu cerui raspatum, Rasura cornu cerni, Fr. Raclure oder Rapure de corne <23, 734> de cerf, und, von einigen Droguisten, welche damit handeln. Hirschhornsame, Fr. Graine de corne de cerf, genannt werden. Der Nutzen des Hirschhornes ist sehr beträchtlich und verschieden. Die Köche mächen daraus mit und ohne Wein, eine Gallerte oder ein Gelee, welches mit hinlänglichem Wasser verdünnt, stärkend, nahrhaft und erquickend ist. Die Bereitung eines Hirschhorn=Gelee habe im XVII Th. S. 71, f. beschrieben.

35. Die Schwertfeger, Messerschmiede und Drechsler verarbeiten es zu Couteau=(Hirschfänger=) Griffen, Messerschalen und Heften u. d. gl. wozu sie aber das Hirschhorn in ganzen Stücken haben müssen, und zwar je krauser, desto schöner. Das Hirschhorn kann auch beraspelt und grün gebeitzt werden.

36. Von dem Gebrauche desselben zu den Hirschfängergriffen.

37. Der Messerschmid, wenn er Schalen von Hirschhorn zu Tischmessern machen will, schneidet von einem Gehörne ein Stück, näch der Größe jeder einzelen Schale, vermittelst einer Säge ab, und zertheilt es mit eben diesem Werkzeuge, der Länge nach, in zwey gleiche Theile. Sind die Hälften noch zu dick, so nimmt er das Ueberflüssige mit einer Raspel ab. Weil aber das Horn krumm ist, so muß er es in Wasser kochen und erweichen, um es in den Schraubstock gerade zu biegen. So bald die Schalen wieder kalt und hart sind, mißt er jede nach der Größe der Angel ab, und beschneidet nach den gezogenen Strichen den Umfang mit einer besondern Säge, oder wenn nur wenig abzunehmen ist, so bringt er es nur mit der Raspel herab

38. Des gepülverten gebrannten Hirschhornes bedient man sich in der Haushaltung, um den gekochten Kaffe klar zu machen.

39. Von dem Gebrauche des geraspelten Hirschhornes, um das Bier wider die Säure zu bewahren und klar zu machen, s. Th. V, S. 197.

40. Aus einem am Feuer gelinde gebrannten Stückchen Hirschhorn soll man auch bisweilen den Schlangenstein (Piedra de serpente) machen.

41. Des Gebrauches, den Aerzte und Apotheker von dem Hirschhorne machen, wird weiter unten Erwähnung geschehen.

42. In Ost=Indien bedient man sich des Hirschgehirnes zur Bereitung der Bock= und Damhirsch=Häute.

43. Aus den Sehnen dieser Thiere, insonderheit an den Hinterfüßen, machen die Tungusen Fäden zum Nähen. Die Kalmücken bedienen sich ihrer ebenfalls dazu. Die Bewohner der Hudsonsbay gebrauchen sie nicht nur zum Nähen, sondern auch zu ihren Bogen.

44. Ausgekochtes Hirschmark ist eine gute Salbe, das Eisen vor dem Roste zu verwahren.

45. Das Hirschtalg gebrauchen die Lichtzieher und Seiffensieder. Von dessen medicinischen Nutzen siehe weiter unten.

46. Die Naturforscher und Aerzte haben entdeckt, daß viele Theile am Körper des Hirsches vortreffliche Eigenschaften und Arzeneykräfte besitzen. Man hat aber auch davon so viele Mährchen und abergläubige Meinungen, daß man über die Leichtgläubigkeit unserer Vorfahren billig erstaunen muß; denn sie hatten ganze Hirsch=Apotheken, weil sie vom Hirsch alles mögliche in der Medicin gebrauchten.

47. Von den Hirschthränen oder Hirschzähren, und den ihnen beygelegten Kräften, s. oben.

48. Das Herzbein des Hirsches, das Hirschbein, Hirschherzbein, oder Hirschkreutz, L. Os de corde cerui, Fr. Os du coeur de cerf, Croix de cerf, ist ein fast dreyeckiger oder kreutzförmiger beinharter Knorpel, welcher aus der Zusammentretung der Pulsadern am Grunde des Herzens entsteht. Es wird nur bey ganz alten Hirschen gefunden; denn bey jüngern ist es nur ein ungestalter Knorpel. Es wird von den Abergläubigen in der Arzeney als ein kräftiges Mittel wider allerhand giftige Krankheiten, hysterische Zufälle etc. gerühmt, und dem Bezoar gleich geschätzt. Am Halse getragen, soll es ein bewährtes Mittel für Herzklopfen seyn.

49. Da man dergleichen Herzbein auch zuweilen bey dem Ochsen findet, so muß man, wofern daran gelegen ist, daß man das wahre Hirschbein bekomme, bey dem Einkaufe dasjenige erwählen, welches mittelmäßig groß und recht weiß ist, und sich vorsehen, daß man nicht das Bein aus dem Herzen des Ochsen bekomme; welches man vermeiden kann, wenn man auf die Größe und Gestalt Achtung gibt, indem das Bein aus dem Herzen des Ochsen größer ist, als das Hirschherzbein, und dieses eine mehr dreyeckige Gestalt hat, als jenes.

50. Der Hirschsprung, oder das Beinchen aus den Hinterläufen, L. Talus cerui, Fr. l' os du talon, welches an den Hirschen eben das, was bey den Hasen der Hasensprung ist (s. Th. XXII, S. 190), wird wider die Kolik gerühmt.

51. Aus den Hirschklauen, L. Vngulae cerui, verfertigen die Drechsler Ringe u. d. gl. Die Ringe hielten unsere Vorfahren, so wie die Ringe aus Elends=Klauen, wider die Krämpfe für wirksam.

52. Das frische Hirschherz wurde ehemahls in Stücke zerschnitten, und mit verschiedenem Gewürze eine Zeitlang in guten Wein eingebeitzt, und alsdenn ein Wasser daraus destilliert, welches in den Apotheken unter dem Nahmen Aqua de corde cerui, zu haben war, und wider Herzklopfen besonders gerühmt ward.

53. Das Hirschblut, in einer Bratpfanne gedörret oder an der Sonne getrocknet und gepülvert, wurde wider Seitenstechen, Podagra, die rothe Ruhr, allerley Durchfälle und Gift gebraucht; so wie der daraus präparirte Balsamus antipodagricus, äußerlich aufgeschmiert, wegen seiner mächtigen Zertheilungskraft im Podagra, in Contracturen etc. sehr berufen war.

54. In dem Magen und Gedärme der Hirsche werden zuweilen weißgelbe schalichte Steine, welche den gemeinen Bezoarsteinen beynahe gleichen, und zu eben dem Gebrauche angewendet werden, oder zusammen gebackene, und mit verhärteten Schleime überzogene Haare, in Gestalt einer Kugel, gefunden, welche Hirschbezoar, Hirschkugel oder Hirschsteine, genannt werden. Letztere Art, Gr. und L. Elaphopila, Pila ceruina, entsteht aus den Haaren, welche die Hirsche verschlucken, wenn sie einander lecken.

55. Die Blase aus dem Hirsche, oder die Hirsch=Blase, wird als ein besonderes Mittel wider die Krätze und den Grind gerühmet.

56. Von dem sauber geputzten, mit Wein rein abgewaschenen, alsdenn im Ofen gedörrten, und mit Wegerichsaft eingenommenen männlichen Gliede, der Hirschruthe, oder dem Hirschziemen, L. Priapus cerui, Fr. Nerf oder Priape de cerf, wurde ehedem, in Ansehung der Wirkungen desselben zur Stärkung entnervter Ehemänner viel Rühmens gemacht; heutiges Tages aber hält niemand mehr etwas darauf.

57. Aus dem jungen, noch ganz weichen, und mit einer rauhen Haut oder einem Baste überzogenen Gehörne, welches dem Hirsche wieder wächst, nachdem er sein Geweih abgeworfen hat, und einem solchen Hirsche, wenn er gefället worden, abgeschnitten wird, (den Hirschkolben) wird in den Apotheken, vermittelst der Destillation, mit und ohne Wein ein Wasser gemacht, welches man Hirschkolbenwasser, L. Aqua e typhis cornu cerui, Aqua cornu cerui ex tenellis, Fr. Eau de tête de cerf, Eau de cru de cerf, nennt, und für eine vortreffliche Herzstärkung gehalten wird. Wenn die Kolben noch zart und blutig sind, in kleine Stücke geschnitten, und mit Kreutzwurzsaft über einen Kolben gezogen werden, geben sie einen vortrefflichen Spiritus gegen den Biß der Schlangen und anderer giftigen Thiere ab.

58. Die Aerzte gebrauchen das Hirschhorn in allerhand abgekochten Tränken oder Decocten, Ptisanen und Aufgüssen. Diese Art, sich des Hirschhornes zu bedienen, ist die einfachste und zugleich nicht die geringste; denn es ist ein Arzeney=Mittel, welches bloß von der Natur präparirt worden, und dem die Kunst nichts von seinem flüchtigen Salze und Oehl, worin seine vornehmste Kraft besteht, benommen hat. Die Apotheker und Chemisten machen aus demselben vielerley Präparate, die man aber zum Theil jetzt nicht mehr in der Medicin gebraucht. Wenn das Hirschhorn zum medicinischen Gebrauche dienen soll, muß es reif seyn; d. i. der Hirsch muß es selbst abgeworfen haben, welches man leicht erkennen kann; denn die Geweihe, welche der Hirsch, von der Mitte des Aprils an, bis nach der Mitte des Septembers, von sich geworfen hat, sind schwer, dichter, härter und weißer, als diejenigen, welche man ihnen abgehauen, wenn man sie zu einer andern Zeit getödtet hat. Die erstern geben nicht nur mehr Spiritus und flüchtiges Salz, sondern die daraus bereiteten Arzeneyen sind auch wirksamer. Die pharmaceutischen und chemischen Präparate aus dem Hirschhorne sind: 1) das gebrannte Hirschhorn, L. Cornu cerui vstum, Fr. Corne de cerf calcineé en blancheur. Die brennbare Substanz von der Kohle des Hirschhornes verbrennt, ob sie gleich sehr schwer zu verbrennen ist, dem ungeachtet leichter, als die Kohle von andern Hörnern, und beynahe wie die Kohle der Knochen. Wenn diese Kohle bey einem starken und langen Feuer calciniret wird, verwandelt sie sich in eine sehr weiße Erde, welche man gebranntes oder weiß calcinirtes Hirschhorn nennt. Diese Erde wird in der Medicin als ein die Säure im Magen und den Gedärmen dämpfendes (absorbirendes) Mittel gebraucht. Man verordnet sie in der rothen Ruhr und bey Leibes=Schmerzen, von welchen man vermuthet, daß sie von sauern und übel verdaueten Materien herrühren. Das weiß gebrannte und fein gepülverte Hirschhorn macht den Grund von demjenigen Decocte aus, welches Sydenham sein Decoctum album nennt, das man gemeiniglich in diesen Krankheiten verordnet. Gebranntes und gepülvertes Hirschhorn in weißem Wein eingenommen, treibt die Würmer ab, und wenn es gut zubereitet wird, ist es ein bewährtes Mittel für Kopfschmerzen. 2) Das ohne Feuer oder philosophisch zubereitete Hirschhorn, L. Cornu cerui philosophice, spagyrice s. sine igne praeparatum, Fr. Corne de cerf préparée philosophiquement, ist dasjenige, welches durch das Wasser fast aller seiner gallertartigen Theile beraubt worden ist, so, daß es nunmehr ganz spröde und zerbrechlich ist. In dieser Absicht befreyet man es von seinen äußerlichen Theilen; hierdurch wird es sehr weiß, und hat in der Medicin eben den Nutzen, wie dasjenige, welches durch das Feuer calcinirt worden ist. Philosophisch zubereitetes Hirschhorn nennt man auch, wenn man Stückchen Hirschhorn in den Helm eines Kolbens hängt, aus welchem man aromatische Pflanzen destillirt, damit sie mit den Tugenden und Kräften dieser Kräuter begabt werden. Diese Methode, ob sie gleich gut ist, verdient doch nicht so vielen Vorzug, als man ihr zu geben pflegt; und da man nicht immer dergleichen Destillationen anstellen kann: so ist es genug, wenn man das Hirschhorn raspelt und pülvert. 3) Der Hirschhorngeist, Spiritus cornu cerui, welcher sowohl inn= als äußerlich gebraucht wird;

59. Der mit Bernsteinsalz gesättigte Hirschhorngeist, Liquor, oder Spiritus cornu cerui succinatus, Salsilago C. C. succinata, welcher vorzüglich als ein Mittel gegen das Kopfweh berühmt ist;

60. Der Hirschhorngeist wird mit Bernsteinsalz gesättiget, und hernach durchgeseihet, weil bey der Verbindung dieser Substanzen sich noch etwas Oehl vom Hirschhorngeiste absondert. Damit etwas vom Bernsteinöhl mit in den Liquor eingehe, pflegt man unrectificirtes Bernsteinsalz dazu zu nehmen. Dieses durch die Vermischung entstandene Mittelsalz wird in den Apotheken in flüssiger Gestalt gehalten, ob es gleich auch krystallisirt werden kann.

61. Das Hirschhornöhl, Oleum cornu cerui, welches man gemeiniglich hysterischen Frauenspersonen zu riechen gibt, und woraus man Saiben für gelähmte Glieder macht; wie es denn auch, wie an seinem Orte zeigen werde, zu Vertreibung der Ratzen gebraucht wird;

62. Das flüchtige Hirschhornsalz, Sal volatile cornu cerui, welches man von 6 bis 15 Gran, in einer dienlichen Feuchtigkeit, so wie den Spiritus, von 10 bis 30 Tropfen, mit großem Nutzen in bösartigen Wechselfiebern, in Pocken, Schlagfluß, Lähmung, Epilepsie, hysterischen Krankheiten, und wider den Biß giftiger Thiere, gibt.

63. Aus dem Caput mortuum dieser Präparate, wird das Hirschhornschwarz, Fr. Noir de cerf, welches fast eben so gut ist, als das Th. X, S. 741, erwähnte Elfenbeinschwarz, und von den Mahlern eben so gebraucht wird, bereitet.

64. Vom Gebrauche des Hirschhornes in Weinessig wider die Hühneraugen, s. im Art. Leichdorn.

65. Aus den in Stücke zerschlagenen großen Knochen der Hirsche wird das Hirschmark, Fr. Moëlle de cerf, gezogen, welches man kochen läßt, und hernach zu kleinen runden Broden macht, die ebenfalls als Arzeney gebraucht werden. Dieses Mark wird dem von andern Thieren vorgezogen, die Schmerzen zu stillen und bösartige Geschwüre zu heilen. Man muß es gebrauchen, wenn es frisch ist, alsdenn ist dasselbe erweichend, und die Trockenheit der Theile zu befeuchten geschickt; wenn es aber alt geworden ist, verliert es diese gute Eigenschaften, und wird ranzig, scharf und corrosivisch. Man bedient sich dessen innerlich in Tränk<23, 742>chen und Klystieren wider das Bauchgrimmen, und äußerlich als eine Salbe wider das Gliederreißen, Podagra, Hüftweh, Beinbrüche, und zu Stärkung der Nerven und Gelenke. Wenn man geschmolzenes Hirschmark. so warm als man es leiden kann, auf gelähmte Glieder legt, werden dieselben wieder geschmeidig.

66. Das Hirschfett oder Hirschtalg, L. Adeps s. Seuum ceruinum, Fr. Suif de cerf, ist, unter Salben und Pflaster gemischt, oder auch allein gebraucht, erweichend, zertheilend und den Nerven dienlich. Es erweicht die harten Geschwulsten, heilet die Geschwüre der Haut, und die von der Kälte aufgesprungenen Füße und Hände, und lindert die Schmerzen, die podagrischen nicht ausgenommen. Von dessen Nutzen wider das Durchliegen der Kranken, s. Th. IX, S. 769. Man gebraucht es mit Nutzen in Klystieren wider die Bauchflüsse und die rothe Ruhr. Das destillierte Oehl dieses Fettes hält man für besonders dienlich, die Schmerzen des Podagra zu lindern, wenn man die leidenden Theile täglich damit reibet. Nach Hoffmann' s Versicherung lindert es, auf Leinwand gestrichen und auf das Zahnfleisch gelegt, die Zahnschmerzen merklich, und treibt die Würmer, welche bisweilen solche Schmerzen verursachen, heraus. D. Nester pflegte einen Tropfen Hirschfett in den Urin der Kranken, die er in Gefahr zu seyn glaubte, fallen zu lassen; wenn dieser Tropfen auf den Boden fiel, so hielt er den Zustand des Kranken für verzweifelt, wenn derselbe aber oben blieb, so zog er eine gute Vorbedeutung zur Genesung des Kranken daraus. Hippokrates, im Buche de morbis mulierum, verordnet, ein wenig Wolle in geschmolzenes Hirschfett zu tauchen, und es den Gebärenden in die Mutterscheide zu legen, wenn die Reinigung nach der Geburt nicht fließen will; er rühmt dieses Fett auch wider die Geschwüre der Gebärmutter.

67. Die Hirschhaut dient, nach dem Schröder, Gürtel daraus zu machen, deren die Weiber sich wider die Mutterkrämpfe bedienen. Joel behauptet, daß sie, auf die Gegend der Nieren gelegt, ein unfehlbares Mittel, die Geburt zu befördern, sey. Burrhus rühmt, nach dem Ettmüller, die hirschhäutenen Strümpfe wider das Podagra. Wenn man die Hirschhaut mit Bimsstein abreibt und mit Essig vermischt, soll es ein vortreffliches Mittel wider die Rose seyn.

68. In Japan, wo die Thiere größtentheils ein Gegenstand der Verehrung sind, und man ihnen Altäre und Tempel erbauet, stehen die Hirsche, wenn sie von den Andächtigsten nicht abgöttisch verehret werden, wenigstens in so großer Achtung, daß es niemand, bey Verlust seiner Güter und seines Lebens, wagen darf, ihnen Leides zu thun, oder wohl gar eines dieser Thiere zu tödten. In der Nähe von gewissen Klöstern sind kleine Holzungen, bloß für die Hirsche, angelegt, wohin die Mönche ihnen überflüssiges Futter bringen. Derjenige, welcher eben für ihren Unterhalt sorget, ruft sie, vermittelst einer kleinen Glocke, zusammen, und schickt sie, wenn sie gefüttert sind, durch eben dieses Zeichen wieder zurück.

69. Ehemahls übte man gegen Missethäter, insonderheit gegen die Wilddiebe die unmenschliche grausame Strafe aus, daß man sie lebendig auf wilde Hirsche schmieden, und so nach und nach, von dem dadurch scheu und noch wilder gewordenen Thiere in den Waldungen in Stücke reißen ließ. Ich werde davon bald hernach wieder zu sprechen Gelegenheit haben.

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