Kultur

09.07.2016 - , BM

KulturNatur ohne den Menschen war ohne Kunst, ohne Künstliches. Der Mensch hat Kunst aus Natur entwickelt. Der Mensch kommt aus der Natur und ist Natur. Da der Mensch Natur ist, so ist er ohne Natur, nur im Künstlichen, nicht lebensfähig. Er braucht seine natürliche Basis für sich selbst und um mit Natur weitere Kunst zu entwickeln, die ihm ein Leben ermöglicht. Der Mensch existiert darum mit Natur und mit Kunst.

Dieser Prozess, bei dem aus Natur durch den Menschen Kunst, das Künstliche entwickelt wurde, ist nicht umkehrbar. Dieser Prozess ist gerichtet, es gibt darum für den Menschen kein Zurück zu einem Zustand ohne Kunst. Geschichte ist vorwärts gerichtet.

Weil alles was geboren wurde stirbt, weil alles was entstanden ist vergeht, so befindet sich die Menschheit in diesem Prozess zwischen ihrem Anfang und ihrem Ende. Mit jedem neuen Tag, mit jedem weiteren Fortschritt, mit jeder weiteren Kunst, werden wir spezieller, damit unflexibler, eingeschränkter. Der Mensch als Individuum, wie auch als Art, bewegt sich auf einen Zeitpunkt zu, bei dem der Tod nicht mehr nur wahrscheinlich sondern sicher ist. Wir kennen diesen Tag, diesen Zeitpunkt nicht aber wir wissen dass er kommt. Was wir vorher für unser Leben tun können ist uns öffnen, uns nicht ohne Not einschränken, uns Varianten, uns Vielfalt erhalten.

Mit Kunst kann aus einer Naturlandschaft eine Kulturlandschaft des Lebens oder eine Wüste des Todes werden. Eine Beherrschung, eine gezielte Handhabung der Kunst ist Kultur, der kulturelle Mensch hat so einen Einfluss auf seine Zukunft indem er anderem Leben und sich selbst Lebensmöglichkeiten erhält. Ist der Mensch nicht kulturell, so vermindert er seine Lebensmöglichkeiten entweder durch einen Rückfall zu einer Wildheit oder durch lebensschädliche Kunst.

Kultur ist ein wohldosierter Einsatz von Kunst, von Künstlichem, eine lebenszuträgliche Verknüpfung von Natur und Kunst. Ausgewählte Kunst, Kultur, kann lebensverlängernd sein. Für den Menschen gibt es also ein Optimum an Kunst, das vom Ort und der Zeit abhängig ist. Ein solches Optimum an Kunst wird mit einem Maximum an Kultur erreicht.

Weil der Mensch Natur ist, so fängt Kultur bei jedem an sich selbst an. Kultur ist darum ein Selbstschutz, weder ein theoretischer, idealistischer Altruismus, noch ein Altruismus als ein Aushängeheschild eines getarnten Egomanen, sondern ein Dienst am Anderen der man zukünftig sein wird und von dem andere profitieren. Kultur ist darum nicht nur allgemein sondern vor allem individuell selbstbewahrend und wird auch oder zunächst daran gemessen was man unterlässt.

Natürliches Handeln ist notwendiges, lebensdienliches Handeln, künstliches Handeln ist beliebiges Handeln, kulturelles Handeln ist lebensdienlich erforderliches Handeln. Kulturelles Handeln erfordert darum eine niedere Zeitpräferenz und ist ein Haushalten mit sich selbst und seinen Ressourcen. Wir gewinnen dadurch mit den anderen oder wir verlieren mit ihnen gemeinsam.

Über ein natürliches Handeln muss ein Lebewesen nicht nachdenken, wer nicht natürlich Handeln kann, der ist nicht mehr, das Leben wurde am natürlichen Handeln selektiert, es ist dem Leben grundsätzlich implementiert. Ein kulturelles Handeln des Menschen erfordert natürliche Tradition oder Verstand, es ist ein vorausschauendes, notvermeidendes Handeln. Ein künstliches Handeln ist beliebig und erfordert eine Abwesenheit von Not. Genie ist hochspezialisiert und darum vom Wahnsinn nur durch einen schmalen Grat der Erkenntnis und Akzeptanz der eigenen limitierten Natur getrennt. Es ist die Erkenntnis, dass man nicht selbst Gott ist sondern ein göttliches Geschöpf, dass man Teil, nicht das Ganze und nicht neben dem Ganzen ist, sondern nur mit dem anderen.

Die Art und Weise wie wir mit uns selbst und mit unserer Mitwelt, mit anderem Leben umgehen, wie wir unsere Nahrung gewinnen, erbeuten, wie wir diese zubereiten, wie wir essen, hat nicht nur direkte Auswirkungen auf uns selbst, sondern führt zu einer mehr oder weniger großen biologischen Vielfalt in den Landschaften.

Ein objektiver Indikator für Kultur ist darum Biodiversität. Kultur, kulturelle Qualität, kann umfassend an einem Erhalten und Fördern einer lebendigen, natürlichen Vielfalt gemessen werden. Ist eine Biodiversität an einem Ort aufgrund einer menschlichen Handlung größer als ohne sie, dann war dieses Handeln kulturell. Kultur ist also nicht ein fertiger, zu beobachtender Zustand, sondern ein Bewusstsein aus dem sich ein kulturelles Handeln im Sinne des Lebens ergibt. Kultur ist eine lebensbejahende, lebensdienliche, freudenbringende Ethik. Eine kulturelle Ethik ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine Zukunft des Menschen.

Kulturelle Handlungen fußen entweder unbewusst auf Traditionen die sich an einem Ort gebildet haben oder sie beruhen auf einem Bewusstsein für diese Zusammenhänge. Es handelt sich dann um eine Verstandesethik die Teil einer dem Leben immanenten Ethik, eines Fühlens und Handelns im Sinne des Lebens ist. Eine Verstandesethik schließt darum ein Fühlen ein, denn es kann nur verstanden werden, es kann nur bewusst werden was ist. Das heißt wer versteht, der wird auch fühlen und Freude empfinden. Umgekehrt hat derjenige nicht verstanden, der keine Freude bei einem kulturellen Handeln empfinden kann. Eine kulturelle Jagd bringt darum Lebensfreude.

Kultur sind nicht die Produkte, die Früchte eines Handeln, nicht fertige Bilder, nicht Filme, nicht Theater, nichts Fertiges, sondern das Handeln das zu lebensdienlichen Produkten und Zuständen führt. Kunst in Form von Malerei, bildende Künste, Musik, Literatur und so weiter, Künstliches in Form von Technik und in Folge von Naturwissenschaften, können aber müssen nicht zwangsläufig kulturell sein, denn nicht alles was wir tun, was der Mensch findet, erfindet[1] und anwendet, was er schön wähnt, ist auch schön und ist im Sinne des Lebens. Der Mensch mit seinem unzulänglichen Verstand kann irren, er handelt darum nicht nur aus Freude, sondern verblendet auch aus Gier und Hass[2]. Wer aber versteht, wer ein natürliches, kulturelles Bewusstsein entwickelt, der will mehr davon denn es macht ihm Freude.

Ein Konsum, ein Genuss kultureller Früchte ist dann kulturell, wenn es zu eigenem kulturellen Handeln inspiriert. Kultur ist kein Selbstzweck sondern ein Bewusstsein, ein Wille der sich in einem Handeln im Sinne des Lebens manifestiert. Kultur ist ein Unsichtbares, ein Fühlen das durch ein kulturelles Handeln zum lebensförderlich Sichtbaren führt.

Kultur ist eine spezielle menschliche Eigenschaft, die auf der Basis von Natur, mit einem wohl gewählten Einsatz von Kunst, also mit einem Verzicht auf unlimitierte Kunst, zusätzliche Lebensmöglichkeiten eröffnet, die es ohne Kunst, ohne kulturelle Handlung des Menschen in der Natur, in einer vorhandenen Vielfalt an einem Ort nicht gäbe. Ein Schwinden von Traditionen ohne einen entsprechenden Ersatz in Form eines kulturellen Bewusstseins, ist darum unumkehrbar existenzverkürzend. Es gibt motivationsunabhängig für ein Fortbestehen der Menschheit keine Alternative zu einem kulturellen Handeln - am leichtesten, am billigsten durch Freude.

Originäre Jagd erfordert grundsätzlich ein Erkennen der Natur, der natürlichen Zusammenhänge, führt zu Wachheit und ist ein Katalysator für Kunst. Durch die originäre Jagd ist der Mensch zu Kunst, Religion, Tradition, Kultur und Wissenschaft gekommen[3]. Ein Verlust von originärer Jagd des modernen, urbanen Menschen, ein künstliches Leben, führt zu einem Ablegen von Traditionen, zu einer Säkularisierung, zu einem Verlust an Bewusstsein für natürliche Zusammenhänge und so zu einer unlimitierten Jagd nach Kunst, zu einem kulturellen Verlust, zu Gier und Hass und damit zu einem beschleunigten Verbrauch seiner natürlichen Grundlagen. Der moderne, urbane, unverständige Mensch wird künstlich wilder und unzufriedener. Er übersieht dabei dass er nicht beliebig ist, er vergisst dass er Natur ist, denn er entfernt sich zunehmend von ihr, ist zunehmend weniger mit ihr konfrontiert und verbunden[4], er vergisst sich selbst.

Für eine makroskopische Wirkung[5], also eine Wirkung des Dinglichen, ist Quantität grundsätzlich entscheidender als Qualität, denn alles hat eine Qualität und so kann eine zuträgliche oder unzuträgliche Eigenschaft immer über eine Anzahl von Qualitätsträgern erreicht werden, auch bei geringer Gestaltkraft. Für eine Unkultur, für die Zerstörung der eigenen Lebensgrundlage durch den Menschen selbst, ist darum seine Zahl von entscheidender Bedeutung. Der Mensch als Art wird mit Sicherheit aussterben, wann entscheidet vor allem seine Quantität[6] aber auch seine Qualität, seine Kultur und nicht zuletzt der Zufall.

Der Mensch als solcher ist für die Natur, die Welt, das Universum nicht wichtig, sondern war und ist als Träger eines Bewusstseins, als ein Spiegel des Universums für dessen gewesene Veränderung und für dessen Selbstbeobachtung unabdingbar. Ohne Natur und damit ohne Kultur verliert der moderne Mensch sich selbst, er geht verloren und mit ihm ein universelles Bewusstsein. Ohne ein solches Bewusstsein ist das Universum ein anderes, ein ärmeres.

Für einen Lebenden ist das Paradigma darum nicht die Kunst sondern das Leben, an dem Kunst und Kultur bewertet werden sollten. Die Intension und ein Bewusstsein zu Kultur äußern sich zunächst in Sprache, in einem Wort. Ein Wort ist der Beginn von allem, ist Voraussetzung für Kultur und beinhaltet gleichzeitig eine Möglichkeit zu einer Unkultur.

Wacher werden, kultureller werden, freudig sein oder vergehen.



[1] Erfinden ist eine Kombination von Gefundenem durch Intelligenz.

[2] Eine menschliche Handlung kann negativ fremd motiviert sein, sie basiert dann auf Angst. Sie kann negativ selbst motiviert sein und basiert dann auf Hass. Sie kann positiv selbst motiviert sein und basiert dann auf Gier, auf Sucht, auf einem irrtümlichen Glücksstreben und sie kann positiv selbst motiviert, nebenwirkungsfrei sein, sie basiert dann auf Freude. Natürliche Menschen sind darum relativ frei von Angst und sie sind freudig.

[3] Die originäre Jagd des Menschen ist seine erste Kunst und sie wird ab dem Beginn seiner zweiten, der Kontrolle des Feuers, elaboriert. Natur, Jagd und Kunst sind untrennbar miteinander verbunden.

[4] Es ist ein Trugschluss, dass Naturschutz außerhalb von Städten, außerhalb von Kunst stattfindet. Es ist ein Trugschluss man könne Natur in Parks, in Naturmuseen konservieren, schützen und vorführen. Es ist ein Irrtum man könne mit Geld Natur schützen. Der Mensch ist Natur und darum fängt Naturschutz bei jedem selbst an, indem er sich selbst schützt, indem er sich bewahrt, indem er natürlich ist. Naturschutz und Selbstbewahrung beginnen bei einem bewussten Nichthandeln und darüber hinaus bei einem kulturellen Handeln.

[5] Für eine mikroskopische Wirkung, für ein erstes Sichtbarwerden eines Dinglichen ist Quantität völlig irrelevant, denn alles Sichtbare hat seinen Grund im Unsichtbaren.

[6] Überspitzt könnte man formulieren, dass es entscheidend ist wie viel Masse an lebendem Menschenfleisch auf der Erde ist, denn dieses Substrat will gefüttert und ständig erneuert werden. Aber es ist für unsere Seele und unsere Lebensqualität überhaupt nicht unbedeutend was in unseren Köpfen vor sich geht, wie und was wir denken, was in unseren Herzen ist, was wir fühlen und empfinden. Wir können mit unserem Denken unsere Seele einsperren oder sie frei sein lassen.

 

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