Hirschgerechte Zeichen
17.09.2012
Krünitz schreibt in der Mitte des 18. Jh. weiter: „Es wäre zu wünschen, daß die Jäger und Piqueurs, um mehrere Kenntnisse zu erlangen, nach Art der Handwerksburschen wanderten, und wenigstens ein Jahr lang täglich Wälder von verschiedenem Erdreiche besuchten. Sie würden sich alsdenn allgemeine Kenntnisse erwerben, die sie in einem Walde, wo sie täglich zu jagen gewohnt sind, niemahls erlangen können. Diesen Wald nebst allen Hirschen, die darin stehen, lernen sie durch die Länge der Zeit so gut kennen, daß sie die Jagd nur nachlässig treiben, und in den ihnen schon bekannten Gegenden, wo der Hirsch hinaus geht, herum schwärmen, anstatt daß sie bey ihrer Meute bleiben, alles gehörig beobachten, und den Hunden zu rechter Zeit die Hülfe geben sollten.“
Man mag daran ermessen wie wichtig diese hirschgerechten Zeichen waren und mit welchem Fleiß sie gelesen wurden. Die im Folgenden zusammengetragenen Zeichen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sind sicherlich vom erfahrenen Waidmann noch zu ergänzen – wer noch etwas weiß, der mag es uns verkünden, wir sind sehr gespannt! Es sei hier bemerkt, dass auch namhafte Rotwildkenner wie zum Beispiel Raesfeld, Menzel oder schon vor ihnen Winckell oder Hartig deren Interpretation nicht immer als sicher ansahen, sie führten sie deshalb auf ein Minimum zurück. Man sollte indes bedenken, dass es sich um ein sehr altes Wissen der Menschheit handelt, in dem vieles auch die Tradition und Jagdethik wiederspiegelt - manchmal ist es daher mehr als gesicherte, wissenschaftliche Erkenntnis. Wie auch immer man zu dieser Fülle von hirschgerechten Zeichen und deren Interpretation steht ist nicht so sehr entscheidend. Viel wichtiger ist es, dass man mit geschärften Sinnen und wachem Verstand auch noch Information findet, die ansonsten für den modernen Menschen nicht mehr existent scheinen. Die Jagd wird dadurch nicht nur erfolgreicher, sondern auch bewusster, denn man ist mitten in einer lebendigen, vertrauten Umgebung und damit ein Teil des Ganzen, anstatt ein Fremdling in einer anderen Welt.
1. Schritt (Schrittweite, Wandel, Allure) heißt die Entfernung eines Trittes vom nächsten. Ist der Schritt 2½ Schuh weit (ca. 76 cm), so könne man den Hirsch für einen Zehnender ansprechen. Bei Fouilloux heißt es von dem Gang des Hirsches: „...gehet geschrenkt wie ein voller Bawer, als wenn jr zween weren, das Wild aber geht schlechtlich“. Je nach Gelände und Kondition kann die Schrittweite variieren und durchaus auch 80 cm lang sein, Raesfeld gibt für den 10-Ender durchschnittlich 70 cm an, für einen geringen Hirsch von 8 Enden ermittelte er einen durchschnittlichen Schritt von 57 cm. Grundsätzlich kann man sagen, dass der Hirsch einen größeren Schritt als das Tier hat. Zwischen Juli und Ende August, wenn der Hirsch feist ist, verkürzt sich sein Schritt, er wird schwerfälliger, geht aber dennoch regelmäßig. Trotz der Unterschiede kann man den Schritt als brauchbares Zeichen im Hinblick auf die Größe und Kondition des Wildes sehen, wenn man seine Revierverhältnisse kennt.
2. Der Schrank oder das Schränken besteht darin, dass die Tritte des linken und des rechten Laufes nie in gerader Linie hinter einander kommen, sondern im Zickzack neben einander wie die nachfolgenden Punkte . · . · . · . · . Die Größe des Schranks wird durch die Entfernung der beiden geraden Linien von einander gemessen, welche durch die links und rechts liegenden Tritte gezogen werden können. Der starke, feiste Hirsch oder das hoch beschlagene Tier hat dabei naturgemäß einen größeren Schrank als ein geringeres Tier.
3. Der Tritt wird an der breitesten Stelle des Schalenabdruckes gemessen, in de Regel ist dies der Bereich der Ballen. Je stärker der Hirsch, desto stärker der Tritt – so die Regel, dennoch kann es durchaus anders sein. Bereits ein Hirsch im mittleren Alter hat jedoch üblicherweise einen stärkeren Tritt als das Alttier. Jeder Hirsch hat hierbei seinen individuellen Tritt, an dem man ihn mit einiger Übung auch wieder erkennen kann. Wir sehen im Folgenden noch den Fleiß der alten Meister.
4. Die Trittrichtung ist beim Hirsch nicht parallel, wie beim Tier, sondern die einzelnen Tritte zeigen merklich auswärts.
5. Die Stümpfe ist beim Hirsch größer als beim Tier. Die Spitzen der Schalen auch Zange genannt, ist beim Hirsch aufgrund seiner größeren Masse abgeschliffener und daher runder als beim Tier, es ergibt sich ein stumpferer, abgerundeter Tritt – eine größere Stümpfe.
6. Der Zwang oder auch Zwängen entsteht dadurch, dass der massigere Hirsch eine größere Kraft und damit verbundenen einen größeren Muskeltonus in den Läufen haben muss, als ein leichtes Tier. Die Schalen sind daher vorn enger zusammen, als die des Tieres. Er zieht damit auch die Erde stärker zu sich als das Tier – er kann vor Kraft kaum laufen. Dies ist natürlich in der Fährte zu lesen, wie wir noch weiter unten sehen werden.
7. Der Hirsch hat eine reine Fährte, das heißt dass die Fährte auch im nassen Sand stehen bleibt. Dies liegt am Zwang. Der Hirsch geht geschlossener als das Tier, der Tritt fällt daher aufgrund des stempelartigen, geschlossenen Abdruckes des Hirsches im Boden nicht so schnell zusammen wie beim Tier, das offener zieht.
8. Die Ballen des Hirsches sind größer als beim Tier und hinterlassen daher einen größeren Eindruck.
9. Der Burgstall (Bürgel, Birgel, Berg, Birg, Grimmen) ist die Wölbung innerhalb des Trittes. Er entsteht durch die Hohle innerhalb des Hirschlaufes. Die flächenmäßige Ausdehnung der Wölbung ist beim Tier aufgrund der kleineren Schalen naturgemäß kleiner. Weil andererseits der Schalenabrieb beim Hirsch größer ist, kann nicht gesagt werden, dass ein starker Hirsch auch einen hohen Burgstall aufweist, im Gegenteil führt eine stärkere Abnutzung der Schalen zu einer kleineren Hohle und damit zu einem niedrigeren Burgstall.
10. Die Oberrücken (Afterklauen, Geäfter) drückt der Hirsch in gutem Boden fast daumendick ein, beim Tier ist der Eindruck spitz und schmal. Beim Hirsch drückt sich der Oberrücken breiter im Boden ab als beim Tier. Je älter der Hirsch, desto stärker und stumpfer und desto weiter stehen sie vom Lauf ab.
11. Beim Blenden tritt der Hirsch mit der hintern Schale leicht, kaum merklich versetzt in die vordere Fährte, so dass diese dadurch etwas länger und breiter wird. Man kann damit getäuscht werden, einen geringen Hirsch für einen starken anzusprechen. Ein alter Waidspruch sagt dazu: » Sag' an mein lieber Waidmann was hat der edle Hirsch unten und oben gethan? « - »Er hat unten geblendt und oben gewendt, dabei hat ihn der Jäger erkennt.«
12. Das Wenden heißt auch Himmelszeichen. Beim Durchziehen durch junges Laubholz wendet der Hirsch mit dem Geweih Blätter und knickt kleine Ästchen. Man kann aus diesem Zeichen sagen, dass es sich mit einiger Wahrscheinlichkeit um mindestens einen Achter handeln muss, denn der Hirsch benötigt dazu mindestens eine Gabel. Diese Spur muss, wenn man einen Hirsch danach ansprechen will, wenigstens 6 Fuß (ca. 1,8 m) hoch sein, denn wäre sie niederer, so könnte man das Gewende eines Hirsches auch mit dem Durchziehen eines starken Tieres verwechseln.
13. Das Fädlein oder Fädchen ist der dünne Erdstreifen, der sich durch den Zwang der Schalen beim Hirsch in die Höhe drückt. Da das Tier keinen Schalenzwang hat, formen sich die beiden Schalenhälften weiter nebeneinander ab, so entsteht kein Fädlein – aber auch beim Tier kommt das Zwängen gelegentlich vor, so dass es stets sinnvoll ist mehrere Tritte in der Fährte zu begutachten.
14. Das Näslein entsteht bisweilen vorn im Tritt. Es handelt sich um ein Fädlein, das vornehmlich vorn an der Zange ausgebildet ist und aufgrund des engen Schalenstandes im mittleren und hinteren Bereich nicht oder nur schwach abgedrückt wurde. Es kommt beim Hirsch häufiger vor als beim Tier.
15. Das Scheibchen entsteht wenn es auf staubtrockenen Boden wenig geregnet hat und nur eine sehr dünne Erdschicht befeuchtet wurde. Diese dünne Schicht kann nun an den Schalen als Scheibe anhaften bleiben und ausgerissen werden, zurück bleibt der Umriss des kompletten Trittes als Scheibchen.
16. Das Insiegel, entsteht indem feuchter, bindiger Boden an den Schalen zunächst haften bleibt um sodann abzufallen. Es handelt sich also um einen ausgerissenen Schalenabdruck, der wie ein Gipsabdruck liegen bleibt.
17. Das hohe Insiegel entsteht, wenn das Rotwild über feuchte Wiesen zieht, einsinkt und auch die Erde, die sich über den Schalen befindet, beim Abheben des Laufes aus dem tiefen Tritt mit herauszieht und als Haufen dort liegen bleibt.
18. Als Schneeballen bezeichnet man die Zeichen im nassen und weichen Schnee. Der Schnee, der an den Schalen hängen bleibt wird in Klumpen abgeworfen. An diesen Schneeballen können ebenfalls gerechte Zeichen wie Burgstall etc. ausgemacht werden.
19. Der Bürzel entsteht zuweilen zwischen den Schalen, im Fädlein, an einer Stelle an der die Schalen einen größern Abstand aufweisen, wodurch aufgrund des größeren Druckes mehr Erde nach oben zwischen die Schalen gepresst wird. Von der Seite betrachtet erscheint es als kleine Erhebung im Fädlein.
20. Der Bogen entsteht beim Tritt am Hang, wenn die Erde sich aufgrund der Masse des Hirsches der Boden talwärts etwas aufwirft.
21. Beim Schluß oder Schlußtritt tritt die hintere, schwächere Schale genau in die vordere – es ergeben sich zwei Schalenabdrücke ineinander.
22. Durch den Schluß kann ein Reifchen oder Reif vorn im Tritt erkennbar sein – ein untrügliches Zeichen dafür, dass der hintere Lauf genau in den vorderen gesetzt wurde.
23. Beim Vierballen werden vier Ballen im Tritt gesehen. Dies entsteht beim mittelalten Wild durch das leichte Übereilen, bei dem die hintere Schale nur leicht vor die vordere tritt oder aber durch das leichte Zurückbleiben oder Hinterlassen, wobei die hintere Schale nach der vorderen auftritt.
24. Das Übereilen kommt hauptsächlich bei jüngerem und leichterem Rotwild vor. Hierbei tritt der hintere Lauf deutlich vor den vorderen.
25. Das Zurückbleiben (Nachlass, Hinterlass, Erfüllung, tarder) wird vornehmlich von älteren Hirschen oder bei hochbeschlagenen Tieren beobachtet.
26. Das Ereilen ist ein leichtes Zurückbleiben, so dass der hintere Tritt etwa in die Hälfte des vorderen Trittes liegt.
27. Der Beitritt entsteht hauptsächlich beim Hirsch, der vorn einen anderen Schrank als hinten hat und dadurch der hintere Lauf auf gleicher Höhe wie der vordere, jedoch weiter zur Körpermitte aufgesetzt wird.
28. Der Kreuztritt (Kreuzfährte, Kreuzfahrt) entsteht aus dem selben Grund des unterschiedlichen Schrankes, nur dass der hintere Lauf leicht hinter dem vorderen zurückbleibt. Also ein Zeichen des älteren Feisthirsches oder des beschlagenen Tieres.
29. Der Schlosstritt ist erkennbar, wenn sich der Hirsch aus seinem Bett oder einer Suhle erhebt und mit dem Hinterlauf in die Mitte des Bettes steht, um sich hoch zu drücken.
30. Das Kränzen entsteht wenn auf trockenem, harten Boden nur der äußerste Umfang der Schalen abgedrückt wurde.
31. Beim Kirchgang zieht der Hirsch nach der Äsung vertraut zu Holze, so wechselt er gesättigt gemächlicher, als wenn er hungrig zu Felde zieht. Dies lässt sich auch an der Fährte erkennen, die möglicherweise auch einen Widergang enthält.
32. Das Fegen geschieht zum Ende der Kolbenzeit, wenn der Hirsch das ausgewachsene Geweih an meist weichen Holzarten daran reibt, um es vom Bast zu befreien. Je stärker der Hirsch, an desto stärkere Holzstangen fegt er und desto höher hinauf sieht man die Rinde geschunden.
33. Das Schlagen, auch Himmelsspur genannt, ist ein untrügliches Zeichen des Hirsches. Der Hirsch wählt sich dazu junge Bäume und schlägt mit dem Geweih daran die Rinde oder kleine Äste ab. Dies geschieht auch nach dem Verfegen besonders vor und in der Brunft.
34. Der Hirsch zieht mit seinem Geweih nicht gerne durch Dickungen, die ihn stark behindern, er geht lieber alte Holzwege und Pfade und wandelt im Schirmholz. Die Tiere hingegen ziehen problemlos auch durch Dickungen.
35. Beim Wimpelschlagen wühlt der Hirsch mit seinem Geweih in einem Ameisenhaufen. Manche gehen davon aus, der Hirsch tue dies aus Übermut – wahrscheinlicher scheint uns aber die Annahme, dass es mit den Ameisen beziehungsweise deren Säure zu tun haben könnte.
36. Der Umschlag entsteht, wenn der Hirsch über Moos und Heidekraut zieht und dieses umkehrt oder umschiebt, so dass die Wurzeln nach oben zeigen.
37. Das Plätzen ist das Schlagen mit den Vorderläufen auf den Boden, um sich ein Bett herzurichten, um sich dort niederzutun – der Hirsch sitzt üblicherweise im Bett (auch wenn er liegt und schnarcht wie ein Seemann). Sagt man von ihm, dass er im Bette liegt, so ist er krank. Ein kranker Hirsch plätzt normalerweise nicht mehr, er geht ins Wundbett.
38. Das Knicken kann vernommen werden, wenn im Sommer die Läufe den schweren Feisthirsch mit Mühe tragen, so dass ihm die Gelenke knacken. Es kann auch in der Kolbenzeit von einem sehr alten Heimlichtuer vernommen werden.
39. Der Speigel wird sichtbar wenn der Hirsch erregt ist. Normalerweise liegt das Haar am Kopf glatt an, in der Aufregung aber spreizt es sich ab und man kann darin das „zweite Gesicht“ sehen – der Hirsch ist unruhig. Wer dieses Zeichen sieht, der hat einen Hirsch vor sich – oder eine Wildsau!
40. Während der Brunftzeit bohrt und stochert der Hirsch bisweilen mit seinem Geweih im Boden herum, dies kann auch beim Plätzen erfolgen - man sagt er forkelt den Boden. Dieses Verhalten wird auch scherzen genannt.
41. Das Rupfen hört nur derjenige, der vorsichtig und Leise im Dunkeln den Stand anpirscht und dabei das Abreißen von Gräsern des möglicherweise schon vorhandenen, äsenden Wildes vernehmen kann.
42. Ein Mahnen wird üblicherweise vom Kahlwild abgegeben.
43. Auch mehrmaliges Schrecken deutet auf Kahlwild hin, denn ein misstrauischer Hirsch schreckt seltener und wenn, dann meist in tieferem, stärkeren Ton als das Kahlwild. Ob es sich beim Schrecken um Kahlwild oder Rehwild handelt, kann nur mittelbar beurteilt werden. Das Reh als Kurzflüchter hüpft mit leisen Sprüngen weg, steht und duckt sich und ist bald nicht mehr zu vernehmen, während das schwere Rotwild auf der Flucht lange nicht mehr anhält und häufig deutlich lauter im Holz verschwindet. Schreckendes Rehwild antwortet gelegentlich auf das Zurückschrecken des Jägers. Hat der Jäger das Schrecken von Wild vernommen, so ist es sicherlich nicht falsch dem Wild nach zu schrecken – es wird vom Wild allemal als arteigener wahrgenommen als andere Lautäußerungen oder das „lautlose Schleichen“ eines Jägers. Es kann damit helfen die Störung schneller zu überwinden.
44. Vernimmt man im Dunkeln das Streichen, so handelt es sich um einen Hirsch, der an Ästen und Zweigen mit seinem Geweih leicht vorbeistreicht. Wird der Hirsch flüchtig, so vernimmt man dieses Geräusch auch beim Anstreichen des Geweihes in der Dickung.
45. Vernimmt man das Schnaufen, so hat man sehr gute Ohren und ist schon sehr nah am Hirsch dran. Dies gelingt nur den besten, erfahrensten Jägern in stockdunklen, wolkenlosen Vollmondnächten und wir gehen davon aus, dass Jäger die das Schnaufen des gesunden Hirsches vernehmen, mindestens das große Jäger-Latinum mit summa cum laude abgeschlossen haben.
46. Das Scherzen deutet auch auf das Vorhandensein von Hirschen hin. Beim Scherzen handelt es sich um die spielerische Auseinandersetzung der meist jungen Hirsche untereinander. Es handelt sich nicht um die den eigentlichen Brunftkampf der Platzhirsche. Manchmal bezeichnet man auch das Forkeln des Bodens als Scherzen – es handelt sich also um übermütige Kampfspiele, die am Boden oder mit einem Begleiter ausgetragen werden.
47. Die Stimme des Hirsches ist mit zunehmendem Alter in der Regel tiefer, grober und stärker moduliert als in der Jugend. Die Stimme wird allerdings auch im Laufe der Brunft tiefer. Es kann daher sein, dass man in der Mitte der Brunft, wenn sich die mittelalten Hirsche eingeschrien haben, man einen solchen für eine alten hält. Aber auch alte Hirsche können helle, blecherne Stimmen aufweisen. Die Stimme ist individuell und kann deshalb vom erfahrenen Revierkenner, auch einzelnen Hirschen zugeordnet werden. Ältere Hirsche sind vorsichtig – auch beim Brunftschrei und brummen daher oft nur vor sich hin.
48. Am Geruch lässt sich das Rotwild ebenfalls erkennen. Besonders während der Brunft, an den Brunftplätzen riecht es recht streng nach dem Nässen und dem Sperma der Hirsche – der Geruch erinnert etwas an „Pferd“. Aber auch das Kahlwild hat seinen eigentümlichen Geruch, das dem aufmerksamen Jäger nicht entgeht.
49. Die Losung, das Gloß, ist ein sehr besonderes Studium, da die Losung zu verschiedenen Jahreszeiten verschieden geformt erscheint. Früher mussten die Jäger die Losung nach Hause bringen, diese wurde dem fürstlichen Jagdherrn als ein Zeichen des bestätigten Hirsches auf einem Blatt präsentiert. Die Fundstücke wurde in Konsistenz, Form und Geruch ausgiebig diskutiert „...Sein gloß ist lenglecht dick schleimig vnd eckecht, Zeigt an das Wildpret vnd ist dabei auch safftecht ...“ Will man mit einiger Sicherheit die Losung ordentlich diskutieren, so ist hierzu viel Erfahrung und Revierkenntnis erforderlich, weil es vielerlei Einflüsse auf die Losung gibt.
Die Losungskonsistenz verändert sich im Jahresablauf in Abhängigkeit der Äsung und ist zu einer bestimmten Jahreszeiten zwischen Tier und Hirsch verschieden. Die Studien geht sogar soweit, dass man versucht mittels der Losung auf das Alter des Hirsches zu schließen. So lassen sich bei den Hirschen fünf grundsätzlich verschiedene Formen unterscheiden: Nämlich starke Klumpen oder Haufen, Zapfen, Trauben oder ineinander hängende Zäpfchen und Näpfchen sowie einzelne Beeren (Kötheln oder Kötteln). Je älter der Hirsch ist, desto eher verändert sich seine Losung im Verhältnis zu den anderen Hirschen. Während sich also die alten Hirsche bereits in Zapfen lösen, werfen die mittelalten Hirsche noch in Klumpen aus. Lösen diese mittelalten Hirsche dann in Trauben, so lösen die jungen Hirsche bis zum vierten Kopf noch in Zapfen. Die jüngeren Hirsche verändern demnach ihre Losung etwa 14 Tage später als die älteren. Die Art der Losung ob sie hart, halb hart oder weich ist von der Nahrung abhängig. Ist die Nahrung hart und trocken, so ist es die Losung auch. Im April und Mai, wenn es überall grünt und noch nicht vollständig gereifte Nahrung geäst wird, ist die Losung weicher, der Hirsch löst sich in Fladen oder Haufen. Ab Ende Mai bis Mitte Juni lösen sich die gesunden Hirsche in Zapfen, die bis zu 2,5 cm dick sind. Ab Ende Juni bis Mitte Juli wird die Losung zunehmend traubenförmig. Dies ist hauptsächlich dann zu beobachten, wenn die Hirsche die Möglichkeit haben Getreide zu äsen. Der feiste, gut genährte Hirsch löst sich ab Mitte Juli bis Anfang August in Zäpfchen und Näpfchen, die relativ trocken sind. Ab Mitte August wird die Losung zunehmend dunkler, schwärzer und härter - sie ähnelt der Schaflosung. Die Brunftlosung des Hirsches erscheint gepresst und ist trocken, weil der Hirsch anderes im Sinn hat als zu äsen. Nach der Brunft, wenn sich der Hirsch wieder regelmäßig äst, normalisiert sich auch die Losung wieder und sieht aus wie vor der Brunft.
50. Die Losung in Haufen wird von gesunden, reifen Hirschen stärker, jedoch in geringerer Zahl ausgeworfen als bei den jüngeren Hirschen. Bei den reifen Hirschen ist die Nahrung gut gemahlen und verdaut und daher runzliger. Bei jungen Hirschen eher eben und schlechter verdaut.
51. Die Losung in Zapfen, ist von einem reifen Hirsch breit, dick, runzelig, gut verdaut und mit einem gelben zähen Schleim überzogen, weil der Hirsch anfängt feist zu werden. Der junge Hirsch hingegen verwendet alle seine Nahrung auf seinen Wachstum, daher ist diese seine Losung viel weißer, nicht runzelig, weder breit noch dick, und mit keinem Schleim überzogen, und er löst sich häufiger, als der alte Hirsch.
52. Die wie eine Traube gestaltete Losung werfen die reifen Hirsche zu einer Jahreszeit aus, während die jungen Hirsche noch Zapfen auswerfen. Wenn aber die Zeit kommt, wo alle Hirsche die Losung in einzelnen Beeren fallen lassen, sind die vom reifen Hirsch stark, schwer, runzelig und gut verdaut. Wenn sie Zäpfchen haben, sind diese dick und kurz. Sind keine Zäpfchen vorhanden, so kann man auch ein Stückchen Fett finden. Bei einem jungen Hirsch hingegen sind die Beeren leicht, weder schrumpfig noch stark zermahlen und bei einigen finden sich kleine Näpfchen. Grundsätzlich gilt auch hier die Regel, dass sich eine jüngerer Hirsch häufiger in kleineren Portionen löst als ein älterer. Wenn die starken Hirsche anfangen abzuwerfen, bekommt ihre Losung eine andere Gestalt und Farbe. Um diese Zeit ist die Losung der jungen Hirsche, die noch nicht abwerfen, geformt und gelblich, aber weniger runzelig und zermahlen.
53. Es gibt Zeiten in denen die großen Gelttiere, wegen ihrer Schwere und großen Fährte, einen Anfänger leicht verführen und täuschen können. Die Losung dieser Tiere ist, wegen ihrer hitzigen Natur, der Losung der kapitalen und älteren Hirsche ziemlich ähnlich, weil sie ebenfalls stark, runzelig und zermalmt ist. Man kann sie jedoch daran unterscheiden, dass um diese Zeit, wo die Tiere sie dergestalt auswerfen, der Hirsch sie in Haufen auswirft. Die Losung von einem Hirsch ist auch besser geformt, und die Spitzen daran sind kürzer, dicker und regulärer, als bei einem Tier. Wenn man eine solche Losung zerbricht, so findet man häufig eine Art Strohhälmchen, worauf sie gedreht ist, und noch öfter einen kleinen Kern, in der Größe eines schwarzen Kümmelkornes, welches man in der Losung der Tiere nicht antrifft. Diese sind meistens in Näpfchen eingeschlossen, die Spitzen daran sind von gleicher Länge, und nicht so stark wie bei einem Hirsch, haben auch nicht wie diese, kleine Fettstückchen. Was den Unterschied der Losung eines jungen Hirsches von der Losung eines Tieres betrifft, so ist jene besser als diese, geformt, die Spitzen sind stärker und kürzer, sie fallen mehr ins Gelbliche, und das Tier wirft sie in größerer Menge aus, weil es gefräßiger ist als der Hirsch. Fouilloux: „Das Wild laissiert wie ein Gaißbock.“
Aus allem, was bisher zur Losung gesagt wurde, lassen sich nun folgende Schlüsse ziehen:
54. Die Losung in Haufen muss nach der Jahreszeit und nach ihrer Beschaffenheit und Menge beurteilt werden; denn wenn man schon in der Mitte des Aprils einen weichen, einer Faust großen Haufen antrifft, so kann man versichert sein, dass er von einem starken Hirsche ist, welcher schon beinahe frisch aufsgesetzt hat; denn der junge Hirsch wirft die Losung um diese Zeit noch nicht in dieser Gestalt, nicht so häufig und nicht so weich aus. Dabei beobachte man, ob die Losung nicht von einem Hirsch ist, welcher sich verbirgt; denn in solchem Falle ist dieselbe mager, trocken, spitzig, und bei weitem nicht so stark, als wenn der Hirsch alle Nacht auf Äsung geht. Wenn ein Hirsch sich verbirgt, weil er verwundet oder überjagt ist, so äst er fast gar nicht, und es ist also natürlich, dass dieses einen Einfluss auf die Losung hat. Seine geschwächte Gesundheit und Müdigkeit führt dazu dass er nicht zunimmt, spät und kümmerlich aussetzt, und sehr spät auf die Brunft tritt.
55. Losung, die man Mitte Mai in weichen Zapfen findet, ist von einem gesunden, muntern Hirsch.
56. Losung, die man von Mitte Juni bis zur Mitte des Juli in Gestalt starker, aneinander hängender Trauben antrifft, ist, besonders wenn sie stark, runzelig, gelb und schleimig ist, gewiss von einem gesunden Hirsch, der sich nicht verbirgt.
57. Losung, die zu Ende Juli, und in den ersten Tagen des Augustes, wie ein Rosenkranz an einander hängend, und in einer Art eines schleimigen Darmes eingeschlossen ist, und wenig Tage danach bis zur Brunftzeit (wo sie bei einigen Hirschen so verändert ist, dass man nichts davon urteilen kann,) in ganz abgesonderten, dicken, gelben und völlig geformten Lorbeeren in kleiner Menge ausgeworfen wird, ist zuverlässig von einem starken feisten Hirsch; und ein Jäger, welcher bei trockenem Boden kein anderes Kennzeichen von ihm haben kann, kann ihn hiernach sicher als einen jagdbaren Hirsch vor die Meute bringen. Die mittelalten Hirsche werfen zwar beinahe eine ähnliche Losung aus, allein sie tun solches später, und die Lorbeeren sind kleiner, runder, und nicht so schleimig.
58. Letztlich ist noch zu bemerken, dass die am Tage ausgeworfene Losung besser zermalmt und verdaut ist, als die Nachtlosung, weil der Hirsch den Tag über mehr und stärker wiederkäut, als in der Nacht. Die Losung der Tiere ist mager und leicht, sie passen auch nicht zu den jahreszeitlich veränderten Losungen der Hirsche, denn zum Anfang des Jahres gehen die Losungsveränderungen bei den Tieren früher und am Jahresende später vor sich.
59. Das Nässen geschieht beim Hirsch und beim Tier unterschiedlich: Das Tier nässt dort hin, wo es schon gestanden hat, also in den letzten Tritt. Der Hirsch nässt zwischen die Tritte und tritt anschließend meist noch einmal darauf. Fouilloux bemerkt dazu folgerichtig: „Dann alles was gefotzt ist/stallet mitten in die faehrt.“
60. Weiter haben wird davon gehört, dass sich am Duft und Geschmack der Losung wie auch der Nässe das Tier vom Hirsch unterscheiden lassen sollen. Es ist wahrscheinlich, dass die Menschen in früherer Zeit auch solche Übungen durchführten und zu beurteilen wussten. Der Umgang mit Körperausscheidungen war in früheren Zeiten ein anderer als heute. Leider liegen uns hierzu keine Überlieferungen vor, vermutlich handelt es sich damit um verlorenes Wissen.
61. Es werden die langen, die runden, und die so lang wie breiten Schalen unterschieden. Die Ursache dieser verschiedenen Formen liegt in der Struktur des Erdreiches des Gebietes in dem die Hirsche leben. Es sind dies die sumpfigen und weichen, die sandigen und trocknen, und die steinigen und felsigen Böden. Die Schalen der Hirsche passen sich diesen Gegebenheiten an. Hirsche, die ihren Stand in sumpfigem und weichem Erdboden haben, weisen einen hohlen und breiten Fuß mit dicken Ballen auf. Damit sinken sie weniger tief in das Erdreich ein.
62. In sandigen und trocknen Wäldern haben die Hirsche ebenfalls starke Schalen, die sich jedoch von den vorgenannten unterscheiden: Sie sind gefüllt und platt, die Schalen stark, die Spitzen rund, und die Ballen breit. Ihr Lauf ist insgesamt breiter, das Geäfter stärker und kürzer. Bei Hirschen, die in sandigen Wäldern stehen, findet man mehr runde, und so lang als breite Läufe, als völlig lange. Gewöhnlich haben die Tiere in solchen Wäldern sehr starke Läufe und man kann sich daher in solchen Gegenden am leichtesten in Beurteilung der Geschlechter irren.
63. In steinigen und felsigen Wäldern haben die Hirsche keine so starke Läufe, sie sind zierlicher, die Sohlen sind nicht so stark, wie bei den anderen Hirschen, die Schalen aber sind dicker, die Spitzen besser abgerundet, stärker und mehr abgenutzt, und die Afterklauen dicker, kürzer und stumpfer. All dies kommt aufgrund der Härte des Erdbodens zustande. Hirsche aus solchen Gegenden haben üblicherweise einen starken Zwang und sind auch kürzer gefesselt. Alle diese drei beschriebenen Grundmuster der Schalen haben nun stärkere oder schwächere Kennzeichen, woran man sie bei Wechselfährten erkennen kann. So findet man bisweilen Siegel in denen eine Schale länger gewachsen ist, als die andere. Dieses ist zwar ein sehr auffälliges Kennzeichen; allein, es ist nicht genug, denn es ist wichtig, ob es sich um den Vorder- oder Hinterlauf handelt, es ist wichtig an welcher Seite diese Beobachtung gemacht wird und es ist von Bedeutung ob es sich um die ein- oder auswärts stehenden Schale handelt. Beim Bericht des Jägers wird weiterhin verlangt, dass er zu sagen weiß, ob der Vorderlauf breit und der hintere lang ist oder ob sich beide gleichen. Hieraus lassen sich die nachfolgenden Schlüsse ziehen:
64. Ein Spießer hat kleine und scharfe Spitzen; seine Schalen sind sehr scharf; die Afterklauen sind wohlgebildet, aber spitz; die Ballen voll und eng. Er ist lang gefesselt, geht mit vier gespaltenen Klauen, hat aber öfters einen unsicheren Tritt, weil seine Nerven und Sehnen noch schwach sind.
65. Ein Hirsch vom zweiten Kopfe hat stärkere und stumpfere Spitzen, als ein Spießer. Die Schalen sind nicht so scharf, und die Afterklauen nicht so spitz. Seine Ballen sind gefüllt und ein wenig breiter; er ist nicht so lang gefesselt, als ein Spießer, schreitet regelmäßiger, und fängt schon an, mit den Hinterläufen geschlossen zu gehen.
66. Ein Hirsch vom dritten Kopfe hat noch stärkere und runde Spitzen. Seine Schalen sind mehr abgenutzt, die Afterklauen stehen niedriger und sind nicht so scharf; die Ballen sind gleichfalls breiter, und die hintere Fährte ist weit kleiner, als die vordere; auch ist diese fast ganz geschlossen, und der Schritt ist selten irregulär.
67. Die Fährte eines Hirsches vom vierten Kopfe ist der Fährte eines mittelalten Hirsches so ähnlich, dass man beide fast nicht voneinander unterscheiden kann. Lediglich die Spitzen des ersteren sind noch nicht so abgerundet und stark, die Afterklauen nicht so gebogen, und die Schalen nicht so abgenutzt als bei letzterem. Die Ballen sind auch nicht so breit, die Schritte nicht so groß, und der Hirsch vom vierten Kopfe tritt nicht so kurz, als der mittelalte Hirsch d. h. er schreitet mit dem Hinterlauf beinahe ganz in die vordere Fährte.
68. Wenn man die Fährten einiges trächtigen Tieres mit den Fährten der jungen Hirsche gegen einander hält, so wird man eine auffallende Ähnlichkeit feststellen können: Die Schalen, Spitzen und Afterklauen sind gleich scharf, beide sind lang gefesselt, und öffnen die vorderen Klauen und außerdem wird das trächtige Tier durch den geschwollenen Leib verhindert, so weit auszutreten, als es von Natur tun würde. Es tritt daher, wie der junge Hirsch, mit dem Hinterlauf nur bis an den Rand der Vorderfährte. Wenn das Tier tragend ist, wiegt es so schwer wie ein junger Hirsch. Es tritt daher eben so scharf ein und sein Schritt ist eben so regelmäßig. Und wenn sich die jungen Hirsche von einander absondern, um ihr Gehörn abzuwerfen, so tun es die tragenden Tiere ebenfalls, um ihre Kälber zu setzen. So auffallend aber auch diese Ähnlichkeit zunächst scheint, so bemerkt man doch bei genauer Untersuchung, dass der junge Hirsch, wenn er vertraut zieht, mit dem Hinterlauf geschlossen schreitet, was das Tier selten tut. Außerdem sind die Spitzen der Schalen des Tieres nicht so abgerundet, die Ballen nicht so breit, und die Afterklauen nicht so einwärts gebogen, als bei dem jungen Hirsch. Außerdem unterscheidet sich die Nachtlosung von beiden. Die vom jungen Hirsch ist größer, hat stärkere, kürzere und eiförmigere Spitzen. Wenn das Tier, einzelne, verzettelte Losung auswirft, so geschieht das in größerer Menge als beim Hirsch. Außerdem ist diese Losungsart beim Tier besonders dann zu beobachten, wenn es bereits gesetzt hat. Die größere Menge kommt daher, dass das Tier nun viel mehr äst als der Hirsch. Die Losung des Tieres ist dann schleimig und hin und wieder etwas blutig.
69. Die Fährten der Tiere sind nicht größer, als die Fährten der Spießer und jungen Hirsche. Manchmal ist die Fährte etwa so groß wie die Fährten der Hirsche vom dritten Kopf. Aber es ist im Wesentlichen nicht die Größe, sondern die Gestaltabweichung woran man die Fährte des Tieres von der Fährte des jungen Hirsches unterscheiden kann. Wenn die Fährte eines Tieres auch so groß ist wie die Fährte eines jungen Hirsches, so werden doch die Ballen daran dünn und schmal und der Schritt irregulär sein. Geht man die Fährte aus, so sieht man, dass das Tier häufiger einen Beitritt macht, also mit den Hinterläufen neben den Vorderläufen aufsetzt. Beim jungen Hirsch ist bereits die Vorderfährte größer als die hintere und er tritt mit der hinteren meist geöffnet in die vordere. Die Spitzen an den Vorderläufen sind stumpfer, als an den Hinterläufen. Die Schalen sind scharf, die Afterklauen wie ein halber Mond einwärts gebogen, er schreitet weiter und regelmäßiger, und drückt die Ballen tiefer ein, als das Tier. Außerdem ist noch zu bemerken , dass, wenn beide zusammen gehen, der Hirsch stets hinter dem Tier geht.
70. Die Fährten der Gelttiere können einen jungen, allzu hitzigen oder unwissenden Jäger leicht irre machen. Diese Tiere, die keine Kälber mehr setzen, sind stark von Leibe und Füßen, und werden ungemein feist, daher sie auch schwerer wiegen, und mithin langsam und regulär schreiten. Wenn sie alt werden, sondern sie sich von den andern Tieren ab und halten sich zu den mittleren und alten Hirschen. Ihre Fährten haben abgenutzte Spitzen, Schalen und Afterklauen, so dass man sie aus Übereilung oder Nachlässigkeit leicht für alte Hirsche ansprechen kann. Wenn man aber die Kennzeichen genauer untersucht, und den Leithund auf die Hinter- oder Rückfährte bringt, so wird man finden, dass ein geltes Thier mit vier geöffneten Klauen in einen weichen Boden tritt, was die reifen Hirsche und die mittelalten Hirsche nur selten tun, obschon sie bisweilen die vorderen Klauen öffnen, die hintern aber beständig sehr enge zusammen klemmen. Man wird ferner bemerken, dass die Spitzen bei einem Gelttier schlecht abgerundet, und beinahe wie bei Schweinen gestaltet sind und dass außerdem die hintere Fährte eben so groß oder größer als die vordere ist. Bei einem Hirsch hingegen findet man stets den hinteren Tritt kleiner als den vorderen. Überdies sind bei einem Gelttier die Schalen und die Ballen in der Regel beide gleich breit. Sollte dies nicht so sein, so sind die Afterklauen länger als bei einem Hirsche, und auswärts gekrümmt. Ferner ist ein Gelttier nicht so kurz gefesselt, als der Hirsch, wenn sie auch beide von gleichem Alter sind und der Schritt des Gelttieres ist irregulärer als beim Hirsch. Wenn man einem solchen Tier nur eine kurze Strecke auf der Fährte nachgeht, so fällt dieses ins Auge und man soll sich daher durch einige vorgefundene reguläre Schritte nicht verführen lassen. Auch die jungen Hirsche haben in der Brunftzeit öfters einen irregulären Gang, und diese Kennzeichen sind also zu dieser Jahreszeit gar nicht sicher. Einem faulen Jäger dient es um diese Jahreszeit zu keiner Entschuldigung, dass er, wegen der Dürre des Bodens, die Fährte nicht genau genug hätte beobachten können - denn durch die Untersuchung der Losung im Nachtlager hätte er sich Gewissheit verschaffen können!
71. Die Hirsche verlieren im Frühling das Geweih, sie werfen ab. Die einzelnen Stangen werden üblicherweise nicht gleichzeitig abgeworfen. Allerdings kann man Passstangen am Petschaft, der Abwurffläche auf der Stangenseite, erkennen. Die Stangen lösen sich beim selben Hirsch in gleicher Weise, wodurch die Abwurfflächen vergleichbar sind. Der ältere Hirsch hat an der Stange meist eine flachere und der jüngere eine konvex (nach außen) gewölbte Abwurffläche. Die starken und älteren Hirsche werfen in der Regel zuerst ab: Ende Februar – Anfang März die alten Hirsche, Ende März die Mittelalten und später bis Anfang Mai die jungen Hirsche; bei den Spießern kann es Ende Mai werden.
72. Der Bast (Gefege, Beschlächt, Beschläge, Dickmaß, Dickmast) wird nach der Kolbenzeit von etwa fünf Monaten um Johannis (24. Juni) gefegt und man kann ihn finden, so ihn der Hirsch nicht selbst gefressen hat.
73. Der Abtritt (Gräslein) entsteht, wenn ein Hirsch über ein Feld mit grünem Getreide, Gras oder durch ein mit Heidekraut und andern zarten Pflanzen bewachsenes Dickicht zieht. Er beugt die Halme mit seinen Läufen in die Richtung in die er geht nieder und tritt sie glatt ab als wenn es abgeschnitten wäre. Ein Tier hingegen quetscht die Halme mehr als dass diese abgetreten werden, weil die Schalenränder nicht so scharf sind wie beim Hirsch. Hinzu kommt, dass das Tier leichter ist als der Hirsch. Aus der Breite des Abtrittes kann man die Dicke und Stärke, und aus dessen Höhe die Größe des Hirsches abnehmen. Um herauszufinden ob die Fährte frisch ist, hält man das abgetretene Gras gegen die Sonne, so erkennt man ob es schon dürr oder noch grün ist.
74. Der Einschlag (Inschlag) ist eine Folge des Abtrittes. Der Abtritt kann beim Hirsch durch den Zwang zwischen den Schalen haften bleiben. Wenn er ein paar Tritt weiter diesen Abtritt auf wundem Boden verliert, so findet man die abgestanzten und verlorenen Grashalme im Tritt. Findet man also an Trittstellen, an denen kein Gras wächst solche Grashalme, so ist dies ein hirschgerechtes Zeichen.
75. Am Tauschlag kann man erkennen wie lange es her ist, dass der Hirsch durchgezogen ist. Die Fährte ist im feuchten Gras zu sehen. Sind die Pflanzen frisch geknickt, so ist der Hirsch erst kürzlich durchgezogen. Ist aber schon frischer Tau in die Fährte gefallen, so kann man daraus mit einiger Erfahrung auch die Zeit ablesen, die seit dem Durchziehen vergangen ist.
76. Der Anstrich gibt Auskunft über die Länge der Läufe, ob das Rotwild hoch- oder kurzläufig ist. Man erkennt dies im Wechsel am dürren Gras und feinen Geäst, welches durch die Rumpfunterseite beim Durchziehen angestrichen wird und gelegentlich abknickt. Diese Höhe kann zusammen mit anderen Zeichen Aufschluss darüber geben ob es sich um ein Hirsch oder Tier handelt und welche Körpergröße es hat.
77. Der Krötentritt (Schlangentritt) wird sichtbar, wenn der Hirsch Kröten oder giftige Schlangen in ihren Löchern in der Erde aufsucht und diese durch heftiges Anziehen des Atems hervorzieht und sie mit den Füßen tot tritt um sie zu schlucken. Er praktiziert dies nur im äußersten Notfall bei Verhalten des Urins, was ihm außerordentliche Schmerzen breitet. Nachdem er die Kröte oder die Schlange gefressen hat, läuft er aus Leibeskräften bis er heftig erhitzt ist, wirft sich endlich ins Wasser und bleibt eine ziemliche Zeit lang darin stehen. Viele Piqueure haben, um sich von der Wahrheit dieser Sache zu überzeugen, Hirsche aufgebrochen, und beide Arten, solcher giftigen Tiere in ihrem Körper gefunden.
78. Der Hirsch macht gewöhnlich einen Widergang bevor er zu Holze zieht. Er kehrt - ähnlich dem Hasen - auf seinem Wechsel um, damit seine Feinde getäuscht werden, um dann im Bogen zu Holze zu ziehen.
79. Der Absprung wird in der Regel beim Widergang beobachtet. Der Hirsch geht hierzu auf seinem Wechsel zurück, um dann seitwärts, mit einem mächtigen Satz, den Wechsel zu verlassen und gegen Holze zu ziehen. Dieses Verhalten dient ebenfalls dazu etwaige Verfolger abzuschütteln.
80. Der falsche Holzzug entsteht, wenn der Hirsch seine Verfolger täuschen will und in oder vor der Dickung Widergänge macht. Also auf einem Wechsel zu Holze zieht, nach einer Strecke auf dem gleichen Wechsel zurück wechselt, um drei bis vier solcher Widergänge zu machen, um schließlich weit zurück, in einer anderen Richtung seinen Einstand zu nehmen. Es ist sinnvoll diese Wechsel rechter und linker Hand zu untersuchen und beobachten welchen Tritt der Leithund am besten annimmt. Dies ist dann die voraussichtlich letzte Fährte.
Der Verbiss in Art, Lage und Höhe sowie der Einstand lässt Rückschlüsse zu:
81. Im November halten sich die Hirsche in den großen Dickichten in Rudeln beisammen. Zuweilen stehen auch junge Hirsche und Tiere dabei. Diesen ganzen Monat über nähren sich die Hirsche von den Knospen des Nadelholzes, Heidekraut und andern Sträuchern, wovon sie vornehmlich die nahrhaften Spitzen und Blüten abfressen, um die in der Brunft verlorenen Kräfte wieder zu ersetzen.
82. Im Dezember begeben sich die Hirsche mit den Tieren in Rudeln, und halten sich zusammen in den größten Dickichten auf, wo sie aneinander wärmen. Sie stehen häufig im Windschatten eines Hügels auf trockenem Boden, um sich vor der Kälte, Schnee und Eis zu schützen. Sie nähren sich um diese Zeit von allerhand trockenem Holz und Kräutern, als: Ginster, Weiden, Pappeln, Kastanien, Brombeeren, Kresse und andern Pflanzen, die an warmen Quellen wachsen. Besonders äßen sie gern den Efeu, der sowohl auf der Erde wächst, als sich an den Bäumen hinauf schlängelt. Um dieses Efeu zu erreichen richten sie sich zuweilen auf die Hinterläufe auf, woraus man ebenfalls Rückschlüsse auf ihre Größe und Stärke erlangen kann.
83. Im Januar verlassen die Hirsche die Tiere, und halten sich zu dritt oder viert im Hirschtrupp auf. Da die Kälte in diesem Monate meist heftig ist halten sie sich hauptsächlich im Windschatten eines Hügels auf. Ihre Äßung ist die gleiche wie die im Dezember. Bei vielem Schnee behelfen sie sich kümmerlich, schälen die Rinde von den Bäumen, pflücken das Mos ab, und in Gegenden, wo sie sehr geschont werden und dreist sind, kommen sie den Bauern auf die Höfe, und äßen das Stroh vor den Scheunen und von den Dächern. Wenn sich irgendwo bloße Wintersaat von Roggen, Dinkel, Gerste findet, so suchen sie auch diese Stellen auf.
84. In den Monaten Februar und März, wo die größte Kälte schon nachzulassen anfängt, gehen die Hirsche auseinander, und halten sich an dem Rande der Wälder nahe bei den Kornfeldern auf. Besonders halten die jungen Hirsche um diese Zeit gern diesen Stand. Die alten hingegen, welche im Begriff sind, ihr Gehörn abzuwerfen, suchen sich bequeme Gebüsche aus, wo sie Kornfelder und Wasser in der Nähe haben, und ihr Geweih ungestört abwerfen können. Die Hirsche äßen sich an Weidebüschen und Haselstauden. Sie nehmen Knospen von Birken, Gaißblättern (Waldreben), Wildgilgen (Lilie), Speckgilgen (Heckenkirsche) und dergleichen.
85. Im April und Mai stehen die Hirsche üblicherweise in niedrigen Gebüschen, und pflegen, wenn sie nicht beunruhiget werden, nicht vor der Brunft heraus zu gehen. Es gibt Hirsche, die bei Jagddruck so schlau werden, dass sie aus diesen Büschen entweder nur an jedem zweiten Tag zu Felde ziehen oder aber zwei verschiedene Stellen an entgegen gesetzten Enden des Waldes haben. Solche Hirsche machen ihr Lager (Nachtlager, Lagerstätte) in kleinen abgelegenen Verhauen, an deren Knospen sich so viel Tau anhängt, dass sie sich hinlänglich den Durst daran löschen, und nicht nach Quellen oder Brüchen ausgehen, wo man sie bestätigen könnte. Im Frühling äßen sie die Kätzchen, oder die männliche Blüte der Haseln, Aespen, Weiden, und die Knospen der aufbrechenden Büsche, außerdem Beeren, Kornelkirschen, wilden Johannisbeeren, auf den Feldern fressen sie Erbsen, Bohnen, Linsen, Wicken und adere Kräuter.
86. In den Monaten Juni, Juli und August, sind die Hirsche feist und am besten zu jagen, weil sie alle Arten von Getreide um diese Zeit im Überfluss haben. Diese Zeit wird daher die Hirschfeiste, oder die Feistzeit genannt. Man kann die Hirsche oft an Orten mit Wasser bestätigen, weil sie von Hitze und Durst, den ihnen die trocknen Kräuter verursachen, angetrieben werden. Sie trinken und suhlen an Wasserstellen. Sie ziehen den Roggen und Hafer allen übrigen Getreidearten vor. Auch äßt der Hirsch begierig die Flachsknoten, wogegen das Tier diesen verschmäht. Hirsche, die sich im Mai und Juni verbergen, weil ihnen von Hunden scharf zugesetzt worden ist, pflegen nicht auf die Kornfelder zu gehen, sondern sich in jungen Verhauen, die in der Nähe der Dickichte, wo sie ihren Einstand haben zu äßen. Solche Hirsche sind sehr schwer zu finden, weil sie nicht ans Wasser gehen, sondern ihren Durst lediglich an dem gefallenen Tau löschen. Sie verlassen ihren Einstand nu in der Nacht um ihr Revier zu erkunden, dabei hinterlassen eine Wechselfährte. Die Rückkehr solch heimlicher Hirsche in ihren Einstand ist stets vor Tagesanbruch.
87. Im September und Oktober treten sie in die Brunft, fressen wenig, und wechseln viel, die hirschgerechten Zeichen der Brunft sind vornehmlich die Losung, sowie Spuren des Übermutes, wie sie an anderer Stelle beschrieben sind.
Ein alter Brauch: Ehe der gefällte Hirsch zerleget wird, löset der erste Piqueur den rechten Vorderlauf bis an das erste Gelenk ab, und überreicht ihn gegen ein Gratial demjenigen Fremden, dem sein Herr diese Ehre zugedacht hat. Bey Privatpersonen wird diese Gewohnheit noch immer geduldet; bey großen und fürstlichen Herrschaften aber, wo die Piqueurs starke Besoldungen bekommen, wird sie nicht gelitten; der Lauf wird indessen doch abgelöset und dem Jagd=Commandanten gegeben, der ihn alsdenn seiner Herrschaft überreicht.
Zu guter Letzt: „Wenn man sich in die Nothwendigkeit versetzt sieht, wegen einbrechender Nacht einen ... Hirsch zu verlassen, so muß die Meute sofort nach dem nächsten Meierhofe oder Vorwerke geführt, daselbst einquartiert, und nebst den Pferden gehörig gefüttert und gewartet werden. Die Hunde, die sich wund gelaufen haben, werden geschmiert und verbunden, und die Pferde, die etwann Eisen verloren haben, werden neu beschlagen. Alsdenn wird zu Nacht gespeiset, und hierauf gemeiniglich eine Versammlung von allen Jägern, sowohl Herren als Piqueurs und Besuchknechten, gehalten, wo ein jeder das Recht haben muß, seine Meinung wegen des am folgenden Tage vorzunehmenden Besuches vorzutragen....“
Quellen:
· Ferdinand von Raesfeld, „Das Rotwild“, Verlag Paul Parey 1964
· Ferdinand von Raesfeld, „Das deutsche Waidwerk“, Verlag Paul Parey 1942
· Kurt Menzel, „Verhalten, Hege und Bejagung des Rotwildes“, Kosmos 2008
· Johann Georg Krünitz, „Oekonomische Encyklopaedie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirtschaft“, 1773
· Dr. Georg Ludwig Hartig, „Lehrbuch für Jäger“, Stuttgart, Verlag der J.H. Gotta’schen Buchhandlung, 1640; Elfte Auflage: Dr. Robert Hartig, Ende 19. Jh.
· George Franz Dietrich aus dem Winckell, „Handbuch für Jäger, Jagdberechtigte und Jagdliebhaber“, Leipzig, Brockhaus, 1820
· Vom edelen Hirsche, Fritz Bley, Voiglaenders Verlag in Leipzig, 1923
· Jaques du Fouilloux, New Jaegerbuch, Straßburg Jobin, 1590
· Erzählungen und Überlieferungen von erfahrenen Waidmännern