Hirschlederhose mit Bodenhaftung
23.09.2012
Das Material: Altsämisch, einheimisch gegerbtes Hirschleder vom Feisthirsch. Altsämisch gegerbt, weil dies das einzige Gerbverfahren ohne schädliche Chemie ist. Das Leder wird nur mit Tran behandelt und mit Naturfarbstoffen eingefärbt. Es ist somit frei von Schadstoffen und dadurch sehr hautfreundlich, vermutlich könnte man es im Bedarfsfall sogar essen – vielleicht kleingeschnitten und zusammen mit ein paar Tomaten in Olivenöl angebraten? Dieses Leder ist so weich und natürlich, dass es ohne Innenfutter direkt auf der Haut getragen wird. Es ist wasserunempfindlich und kann, wenn man die Hose nicht gerade kocht, auch vorsichtig gewaschen werden. Der Tragekomfort ist deutlich angenehmer als bei einer Stoffhose oder den Standardlederhosen – vergesst nicht abends den Schlafanzug anzuziehen bevor ihr zu Lager geht. Das Material ist windabweisend, isolierend, feuchtigkeitsregulierend, gleicht somit Temperaturschwankungen aus, ist damit bei Kälte wärmer und man schwitzt nicht so schnell wie in einer Stoffhose. Zieht diese Hose an, dann wisst Ihr warum sich der Hirsch im Wald in seiner Haut so wohl fühlt!
Dieses Gerbverfahren nimmt allerdings die Zeit eines ganzes Jahres in Anspruch – gut Ding braucht Weile. Weil es aber heute immer noch schneller und noch billiger gehen soll, ist dieses Verfahren völlig aus der Mode gekommen und nahezu ausgestorben. Damit die Hose strapazierfähig ist, muss es das Leder vom Feisthirsch sein. Dieser hat im Sommer eine gut genährte, gut durchblutete, dicke, feste, strapazierfähige Haut. Zwar ist die Decke insgesamt im Winter stärker, die Haut selbst aber dünner – man will die Hose ja nicht als Fell tragen. Die Hose soll möglichst aus einer Haut hergestellt werden, damit die Lederqualität wie auch die Farbe gleichbleibend sind und das Bauwerk wenig schwächende Nähte hat. In den Taschen und im Bund kommt auch altsämisch gegerbtes Rehleder zur Verwendung. Weil die Haut des Hirsches nicht überall gleich dick ist, werden die Partien speziell für die Einzelteile der Hose ausgesucht. Die Schnittführung ist also individuell von der Statur des Hosenträgers und dem zur Verfügung stehenden Hirsch abhängig, so kann es also sein, dass sich eine Hose von der anderen durch eine andere Nahtführung unterscheidet. Für die Hose eines Mannes braucht es so wenigstens einen braven, gesunden Hirsch und keinen Schmalspießer. Stellt man diese Bedingungen, so muss der Hirsch außerdem frei von Hautdasseln sein, denn sonst hat die Decke Löcher. Außerdem muss der Hirsch aus dem gleichen Grund sauber geschossen zur Strecke kommen – aus einem völlig durchlöcherten Hirsch kann man keine vernünftige Hose mehr herstellen. Dass derart ausgesuchtes Leder nicht in jeder beliebigen Menge, billig und sofort zur Verfügung steht ist einleuchtend.
Die Knöpfe: Auf Reißverschlüsse wurde gänzlich verzichtet, denn so praktisch sie sein können, jeder Reißverschluss ist eine Schwachstelle und geht irgendwann entzwei, trägt unangenehm auf und leitet die Kälte hervorragend, was besonders im Winter sehr unangenehm wird. Es wurden keine Imitate verwendet sondern nur echte Hirschhornknöpfe aus heimischer Produktion. Aber nicht die gebohrten – wo denkt ihr hin – sondern die mit zwei parallel gefrästen Langlöchern. Diese Knöpfe werden nicht mit Faden angenäht, denn ein Faden reißt, wird abgescheuert und der Knopf ist ab. Wer will schon abends, wenn er müde ist, noch Knöpfe annähen oder einen Hosenträgerknopf verlieren und unterwegs dann den ganzen Tag die Hosen hochziehen? Hirschhornknöpfe mit Langlöchern werden mit einer breiten Lederschlaufe mit den Hosen vernäht, das hält so gut wie angeschweißt! Auch diese Knöpfe werden heute üblicherweise durch Kunststoffimitate ersetzt – pfui! Oder eben häufig mit gebohrten Löchern geliefert, das mag für einen Janker in Ordnung sein – für diese Konstruktion ist dies aber nicht ausreichend.
Dass man sowohl dieses Leder, wie auch diese Knöpfe nicht in jedem Kurzwarenladen bekommt braucht nicht weiter erwähnt werden – nur soviel: Auch über das Auffinden dieser hochwertigen Materialien könnte eine Geschichte erzählt werden.
Beim Bau des Prototypen ist mir aufgefallen, dass der Gerber bezahlt wird, der Knopfmacher und der Schneider, der Jäger aber völlig leer ausgeht, denn die Decke, die der einzelne Jäger verkaufen könnte, hat in der heutigen, westlichen Gesellschaft einen Wert der unter den Transportkosten liegt und damit in der Regel weggeworfen wird. Der Jäger ist heute ein Idealist und bezahlt, im Gegensatz zu früher, für seine Arbeit und seinen Diensten an der Gesellschaft – ein Narr!
Jagdpacht, Wildschadensregulierung, Materialeinsatz, Arbeitsleistungen im Wald und viele Stunden der Geduld bei der Jagd, sowie die anschließende Arbeit beim Zerwirken und Verarbeiten sind ein hoher Preis, den niemand sehen möchte. Was ihm bleibt ist das kleine Jägerrecht in Form einer Mahlzeit der Innereien und natürlich einem unvergleichlichen Naturerleben – vielleicht sogar ein unvergleichliches Leben. Die originäre, schonende Nutzung der Natur durch Jagd und Landwirtschaft wird hierzulande selten honoriert; ordentliche, originäre Arbeit nährt den Mann nicht mehr. Dies zeigt sehr deutlich, dass die westlichen Gesellschaften in weiten Teilen den Bezug zur Natur, den Bezug zum eigenen Ursprung und zu den eigenen Wurzeln verloren haben. Diese Hose ist das Gegenteil : Eine Ausnahmekonstruktion, Natur pur, volle Bodenhaftung!
Die Konstruktion: In Paris entsteht monatlich eine neue Création – in Mailand wird die Mode jedes Jahr neu erfunden – diese Hose wurde nicht für Monate oder Jahre, sondern für Generationen gedacht. Dieses Beinkleid ist auf mindestens ein Menschenleben konstruiert und hat nichts mit Mode zu tun.
Die Hose hat vorne zwei große, tiefe Taschen, eine Gesäßtasche mit Knopf hinten, eine tiefe Messertasche links, damit das Messer nicht herausfällt. In der Kniekehle befindet sich eine Naht für ein vorgeformtes Bein, so dass man auch angenehmer mit der Hose sitzt. Die Beinoberseite wird nach Möglichkeit aus einem Stück gearbeitet. In einer rechten Beintasche befinden sich Patronenschlaufen für fünf Patronen, damit das Geklapper in der Tasche ein Ende hat. Die Patronen sind so außerdem verdeckt, also von außen nicht sofort sichtbar. Wer keine Patronen braucht, kann hier Kugelschreiber für die Baustelle oder Schraubendreher einstecken oder lässt die Patronenschlaufen einfach weg. In der rechten Beintasche ist soviel Platz, dass ich meine Brille dort griffbereit finde – der Jäger wird älter. Die Taschen sind sämtlich aus dem gleichen Leder wie die Hose. Man kann also außer einem Sacktuch auch Schlüssel, Schrauben, Nägel, Patronen, Taschenmesser, Zangen, Steine oder sonstige Fundteile und Trophäen für den Schariwari in den Hosentaschen verstauen, ohne dass diese sich sogleich auflösen. Die sonst üblichen Stofftaschen sind ein Witz gegen diese Behälter!
Die Nähte sind Doppelnähte oder wo es technisch sinnvoller ist, doppelt genähte Einfachnähte – mit deutschem Spezialfaden genäht, der eine enorm hohe Reißfestigkeit aufweist. Ich habe es selbst ausprobiert: Der Faden zerschneidet einem eher die Finger, als dass man ihn durchreißen könnte. Wird man bei der Saujagd von einem Hosenflicker angenommen, so schützt dieses Beinkleid weit mehr als eine Stoffhose. Selbst wenn sie ein grober Keiler dann doch einmal schädigen sollte, so kann sie auch problemlos repariert werden – solche Reparaturstellen dürfen dann als Trophäe betrachtet werden. Sollten bei einem solchen Zusammentreffen mit einer groben Sau doch einmal ein Knopf abgerissen werden, so findet man innen, jeweils sorgsam verwahrt, einen originalen Ersatzknopf aus dem gleichen Herstellungslos.
Die Hose ist als Stiefelhose, also mit engem Bein, geschnitten – gerade so, dass man ohne Reißverschluss noch einsteigen kann – bequem im Stiefel, zeckenabweisend über einem Schnürschuh. Der Bund ist etwas höher als bei einer üblichen Jeans, damit das Hemd weit genug in die Hose kommt und der Leib ordentlich geschützt ist. Hinten hat der Bund einen Zwickel zur Weitenregulierung vor und nach dem Schüsseltreiben oder zur Sommer- und Winterschnürung. Man hat schon seit etlichen Jahrzehnten vergeblich versucht mich in die Hosen zu passen, mit diesem Projekt wurde sie mir nun endlich auf den Leib geschnitten! Das Werk wurde vom heimischen Schneider in liebevoller Arbeit, mit viel Sachverstand zugeschnitten und sehr ordentlich vernäht – eine Handwerkskunst, der man die Liebe zum Detail und der Freude an der Arbeit ansieht. Der Schneider kann eine solche Hose nach der Arbeit mit Stolz von der Nähmaschine nehmen!
Dieses Kleidungsstück wird mit Hosenträgern viel bequemer getragen als mit einem Gürtel – das ist der Verdauung und dem Wohlbefinden zuträglicher. Die Farbe ist braunoliv, unempfindlich gegen Schmutz, selbst Panseninhalt fällt da kaum als Fleck auf. Außerdem passt diese Farbe zu allen Anwendungen - dezent, unaufdringlich, universell. Das Leder könnte zum Beispiel auch in anderen Färbungen wie dunkelbraun, hellbraun oder schwarz beschafft werden, diese und andere Details werden mit dem Schneider besprochen. Eine Frau achtet auf andere Eigenschaften beim Hosenkauf. Dass Frauen keine Ahnung von Hosen haben wussten die Menschen schon seit ehedem: Hiob 38,3: „Gürte deine Lenden wie ein Mann...“. Also denkt lieber selber nach, wenn ihr eine neue Hose braucht!
Heil allen Hosenträgern!