Ökologische Vorrangflächen in der EU-Landwirtschaft
28.02.2013 - , BM
Abgemähtes Weizenfeld im Maismeer
Diese Maßnahme, dieser Wunsch, zeigt die Schieflage unserer modernen Produktion. Die moderne Art der Landwirtschaft, der verbreitete Raubbau an der Landschaft ist der Artenvielfalt nicht mehr zuträglich. Nicht umsonst befinden wir uns im sechsten Artensterben der Erdgeschichte – jetzt künstlich, jetzt hausgemacht.
Und sie zeigt gleichzeitig wie wenig viele Gesetze, Verordnungen und Absichtserklärungen bewirken. Denn es findet sich häufig eine Verwässerung, eine intelligente Lösung, die eigentliche Absicht des Gesetzes zu konterkarieren. Das führt dann wieder zu neuen Querelen, Nachbesserungen, neuen Gesetzen und man erreicht am Ende selten das, was man ursprünglich im Sinn hatte.
Wie kam es dazu?
Die ursprüngliche Landwirtschaft seit der neolithischen Revolution, also vor rund 10.000 Jahren, sorgte für eine win-win-Situation für die Ökosysteme. Das heißt durch die Bewirtschaftungsmethoden wurde die Landschaft offener, strukturierter. So konnte nicht nur der Mensch, sondern auch Tiere und Pflanzen davon profitieren. Die Artenvielfalt nahm bis vor kurzem durch diese naturnahen Produktionsmethoden zu. Seit ein paar Jahrzehnten hat sich durch die weit verbreitete mechanisierte und chemisierte Landwirtschaft die Lage grundsätzlich geändert. Es kommt zu einer Verarmung der Landschaft, es handelt sich um eine lost-lost-Situation, bei der am Ende alle verlieren. Zunächst die Schwächsten und am Ende diejenigen, die an der Spitze der Nahrungskette stehen, also der Mensch. Am Ende dieses Prozesses gibt es keine Gewinner, sondern nur noch Verlierer.
Also lautet der Beschluss, dass gehandelt werden muss?
Der Schuldige wurde schnell gefunden: Der Bauer ist des Hasen Tod! Und also muss er dafür einen Ausgleich erbringen. Das ist bequem, aber viel zu kurz gesprungen und trifft die Falschen. Durch die verordnete Flächenstilllegung beschneidet man die Produktionsfläche des Landwirtes, man vermindert die Bodenrente des Landbesitzers, man vergrößert den Wettbewerbsnachteil des primären Sektors in der ersten Welt, man verzerrt den verzerrten Markt weiter. Es bezahlen auf einem globalen Markt nur bedingt die Verbraucher alleine die Zeche, sondern auch diejenigen, die sowieso schon am staatlichen Tropf hängen. Es handelt sich dem Namen nach um eine weitere Protektionsmaßnahme, die wohlfahrtstheoretisch schädlich ist. Geschädigt wird der Verbraucher mit höheren Preisen, der Landwirt mit einem verkleinerten Ertrag, verringertem Einkommen und der Bodeneigentümer mit fallenden Pachtzinsen respektive einer verminderten Bodenrente.
Die älteste Arbeit des Menschen, die Jagd, nährt den Jäger nicht mehr, denn die primäre Produktionsfläche, dort wo die Rente der Jagd herkommt, wird in der Republik täglich mit reichlich 100 Hektar zu betoniert – nennen wir es einmal umgewandelt, das klingt schöner. Umgewandelt in sekundäre und tertiäre Produktionsflächen, denn diese erbringen eine höhere Rente. Autobahnen, Industrieflächen, erwirtschaften eben mehr als extensive, ursprüngliche Naturnutzung durch die Jagd.
Die zweite Arbeit des Menschen, die Kultivierung der Landschaft, die Landwirtschaft, ist inzwischen in der ersten Welt ebenfalls weitläufig nur noch mit Kunstgriffen am Leben zu erhalten. Oder anders ausgedrückt: Den Menschen, die in den übergeordneten Sektoren beschäftigt sind, ist die einheimische Land- und Forstwirtschaft nicht mehr wert, die Marktlage hat sich verändert und das Bruttoinlandsprodukt wird in der ersten Welt nicht im primären Sektor erwirtschaftet. Diejenigen, die sich also bei Zeiten von der Jagd, der Land- und Forstwirtschaft verabschiedet haben, handelten unter monetären Gesichtspunkten vorteilhaft. Es sind aber auch diejenigen, die das Land nicht Land sein ließen, sondern ihre Produktionsstätten darauf errichteten, das Land betonierten und heute auch beklagen, dass wir zu wenig ökologische Flächen haben, nachdem sie im Diskounter das billige Gemüse aus „Sonstwo“ eingekauft haben.
Diejenigen, die aus dem primären Sektor ausgestiegen sind und letztlich die ökologische Schieflage vornehmlich verursacht haben, fordern nun vom verbleibenden, primären Sektor, dass er von seiner Produktionsgrundlage einen bestimmten Prozentsatz für ökologische Ausgleichsflächen bereit stellen soll. Sind die Eigentümer und Pächter nicht einsichtig und willens, so gedenkt man ihnen diese Flächen per Gesetz aus den Rippen zu pressen. Aufs Ganze gesehen ist dies ein recht merkwürdiger Vorgang. Der Bauer ist aber schlau und so pflanzt er bisweilen auf diesen geforderten Flächen Raps an – Biosprit, was nicht im Sinne der Erfinder ist und eine neue Schieflage hervorruft, von der wiederum nicht der Bauer, sondern andere profitieren. Wir sollten also auch hier die Probleme beim Namen nennen und sagen, dass wir für die Artenvielfalt unserer Feldfluren mehr Feldgehölze brauchen. Wir brauchen mehr Extensivierung in einem Teil der verbliebenen Landschaft.
Derartige Übungen, dass nun diejenigen, die am wenigsten zu unserer grundlegenden ökologischen Schieflange beigetragen haben, auf der anderen Seite den Maurern und Betonbauern die Flächen für die Hecken auch auf Rechnung der Landwirte und Landbesitzer zur Verfügung stellen sollen, ist aufs Ganze gesehen ein recht befremdlicher Vorgang. Denn jeder der sich in der Wirtschaft auskennt weiß, dass derjenige der bestellt auch zu bezahlen hat – wenn jemand eine Wirtschaft kennt, bei der das nicht so ist, der möge sich melden, wir machen gerne Werbung dafür.
Ja, wir brauchen diese Flächen dringender denn je. Es müssen sie aber diejenigen bezahlen, es müssen diejenigen verzichten, die den Nutzen davon haben. Weil der Nutzen bei uns allen vorhanden ist, weil wir nur überleben, wenn wir unsere Landschaft bewahren, müssen auch alle dafür einstehen. Es besteht hier ein Zielkonflikt zwischen Ökologie und Zukunft einerseits und Wohlfahrtsaspekten andererseits. Wohlfahrtstheoretisch handelt es sich bei der geplanten Zwangsmaßnahme um eine weitere Verschlechterung der aktuellen oekonomischen Situation die nicht nur den primären Sektor betrifft. Da es aber die eierlegende Wollmilchsau nicht gibt, das heißt dass man nicht alles auf einmal haben kann, müssen diejenigen in die Zukunft, in die Landschaft investieren, welche in der Zukunft ernten wollen. Wenn wir, die gesamte Bevölkerung in den betroffenen Gebieten, von mehr Natur profitiert, wenn wir alle ein mehr an Flora und Fauna in unserer Landschaft gewinnen, dann müssen wir auch alle unseren Beitrag dazu leisten.
Damit diejenigen bezahlen, die davon profitieren, müssen diese Ausgleichsflächen, auch in die Hände derjenigen gelangen, die den direkten Nutzen davon haben. Der Staat sollte darum diese Flächen, entlang der Saum- und Grenzlinien sukzessive kaufen und brach liegen lassen – die Hecken kommen dann von ganz alleine. Dann brauchen wir für diese Flächen nicht sonderbare Gesetze, die dann intelligent umgangen werden .
Wir können leichter so weiter machen wie bisher, aber das Artensterben zeigt eindeutig, dass es die falsche Richtung ist.
Bm 3/13