Jäger und Nachtsichtgerät

03.01.2014 - , BM

Jäger und NachtsichtgerätAktuell wird das Jagdgesetz gerade geändert und wir dürfen sicher sein, dass es nicht die letzte Änderung sein wird welche die Jagdausübung betrifft. Die Schwarzwildschäden sind in der Diskussion und schnell wird manch Jägers Ruf nach einem nachtsehenden Auge laut – die moderne Technik macht es möglich. Aber es ist nicht die Nachtsichttechnik alleine um die es geht – es geht viel mehr um unser Selbstverständnis als Jäger. Der Jäger sollte sich daher davor hüten vorschnell etwas zu fordern, womit man ihn hinterher an die Wand nageln kann.

Der Gejagte kennt seinen Jäger, denn wäre es anders, so wäre der Gejagte nicht mehr. Der Jäger muss aber auch den Gejagten kennen, denn nur dann ist er mit minimalen Mitteln, mit minimaler Überlegenheit, erfolgreich. Der Jäger ist daher dann erfolgreich, wenn er gegenüber dem Gejagten möglichst nicht als Jäger in Erscheinung tritt, wenn er für den Gejagten ein Unbekannter bleibt und wenn umgekehrt der Jäger den Gejagten möglichst gut kennt.

Aufgrund dessen, dass unsere modernen Werkzeuge unsere Unzulänglichkeiten, unsere Unerfahrenheit und Unwissenheit über das Wild teilweise kompensieren, sind wir mit geringem persönlichem Wissen über das Wild überhaupt als einzelner noch erfolgreich. Weil wir aber häufig unwissend und stumpf sind, so fordern heute viele die Nachtsichttechnik – ein weiteres Werkzeug um das Revier auch noch bei Dunkelheit zu beunruhigen.

Bei der originären Jagd ist das Wild, das ohne Werkzeuge, ohne jeglichen Hilfsmittel ist, durch den Jäger in extremer existenzieller Not. Es kann daher nicht anders als aufs Äußerste motiviert zu sein, seinen Jäger zu kennen. Wie lange waren wir gegenüber den Bakterien und Viren die Unwissenden und konnten ihnen daher nicht ausweichen und wie effizient sind wir, seit wir unsere Jäger kennen.

Dem modernen, originären Jäger, dessen Existenz nicht mehr unmittelbar an die originäre Jagd gebunden ist, geht die existenzielle, unbedingte Notwendigkeit das Wild und sein Verhalten zu kennen ein Stück weit verloren, denn seine Motivation das Wild zu kennen ist vermindert. Er wird ein schlechterer Jäger, der seine geringeren Kenntnisse über das Wild und dessen Verhalten, mit seinen modernen Werkzeugen versucht auszugleichen. Seine Werkzeuge erhöhen seine Macht, dafür kann er dann etwas unwissender und bequemer sein.

Wenn der moderne, originäre Jäger vornehm sein will, dann muss er sich in seinem eigenen Interesse um den Gejagten bemühen, er muss sich in der Fülle seiner Mittel beschränken. Er muss sich nicht um des Gejagten willen beschränken, sondern um seiner selbst willen. Tut er dies nicht, so bleibt er ein unwissender, ein relativ erfolgloser Jäger, der hinter seinen Möglichkeiten zurück bleibt, seine eigenen Fähigkeiten nicht entwickelt, nicht ausreift – er bleibt ein sich selbst strafender Stümper, der seinen Platz nicht ausfüllt. Der moderne originäre Jäger kommt nicht mehr um wenn er keinen Erfolg bei der originären Jagd hat, denn er hat die Möglichkeit auf dem Nachhauseweg im Supermarkt einkaufen zu gehen.

Wenn er seinen Verstand schärft und er sich um den Gejagten bemüht, dann bringt ihm aber die Selbstbeschränkung der Mittel den Jagderfolg zurück. Dann wäre es so, dass uns die Jagd, neben allem anderen, auch die Selbstbeschränkung lehren kann.

Nur zwei Thesen möchte ich in diesem Zusammenhang nennen, aus der sich eine Funktion mit einem Optimum ergibt - wo sich allerdings das Optimum befindet, darauf hat ein jeder selbst einen Einfluss:

Der Jäger geht nicht in sein Revier, denn dadurch wird dieses beunruhigt, das Wild lernt ihn kennen.

Der Jäger ist in seinem Revier zu Hause, denn er muss das Wild und seine Gewohnheiten kennen.

Da die Unruhe in Wald und Flur heute nicht nur vom originären Jäger ausgeht, sondern auch von einer mechanisierten, mächtigen Land- und Forstwirtschaft, wie auch von den vielfältigen Freizeitaktivitäten unserer modernen Gesellschaft, so ist es sinnlos sich als originärer Jäger mehr als nötig zurück zu halten[1]. Weil aber das Wild lernt, so muss er sich für die Aneignung seiner Revierkenntnis ebenso verhalten wie es der Rest der Störenfriede tut. Er kann, wenn er nicht mit der Büchse kommt, ebenfalls mit dem Auto kommen, er kann ruhig reden und mit einem Liedchen auf den Lippen durch sein Revier schlendern und er kann seine Revierarbeiten ebenfalls motorisiert ausüben wo dies nicht anders zu bewerkstelligen ist, obwohl all diese Tätigkeiten eine weitere Beunruhigung darstellen. Er sollte jedoch, neben einer grundsätzlichen Beunruhigung seines Revieres, die er auch selbst mit zu vertreten hat, seine grundsätzliche Beunruhigung minimieren. Er sollte darüber hinaus zwischen absoluter und relativer Beunruhigung unterscheiden.

Wenn er als Jäger kommt, wenn er Beute machen will, so sollte er nach Möglichkeit unerkannt bleiben und möglichst nicht wahrgenommen werden. Er sollte idealerweise keinen Duft, keine Fährte und auch sonst nichts zurücklassen. Den besten aller Jäger kennt niemand, keiner wird ihn gewahr, er lässt nichts zurück, er war nach seiner Jagd für die Anderen nicht anwesend. Als ein Ziel im Leben kann es daher gelten nichts zurück zu lassen, keinen Müll, keinen Fußabdruck und keine Erinnerung. Vom besten aller Jäger wird niemand erfahren, denn keiner hat ihn je gesehen und keiner hat je mit ihm gesprochen.

Ehedem waren alle Jäger und gingen nur dann ins Revier wenn sie die Not dazu zwang. Das Revier wurde durch keine Traktoren, Fahrzeuge, Motoren und vielfältige Freizeitaktivitäten beunruhigt. Der moderne, originäre Jäger ist daher als ein weiterer von vielen modernen Störenfrieden des Revieres, heute zu zwei Gesichtern gezwungen: Eines wenn er als Informationssammler und Revierarbeiter in Form eines getarnten Spaziergängers kommt und eines wenn er der Beute wegen kommt. Er sollte daher sein Verhalten seinem Zweck anpassen und genau überlegen wann er welche Verhaltensweisen an den Tag legt.

Kommt er als Arbeiter und Informationssammler in sein Revier, so kann er es dem Spaziergänger gleichtun und das Wild ebenfalls warnen, indem er sein Liedchen nicht unterdrücken muss und sich nicht über die Maßen ruhig verhält. Er soll signalisieren, dass er nicht auf Beute aus ist, er soll mit dem Wind kommen, damit das Wild seine Anwesenheit erkennt und nicht von ihm aus Versehen überrascht wird. Selbst wenn das Wild seinen Jäger kennt, was es zu vermeiden gilt, so erkennt es den Unterschied ob der Jäger hungrig ist oder schläfrig. Man sehe sich das Wild an, es erkennt den Löwen welcher der Beute wegen kommt und es erkennt den Löwen der sich gesättigt einen Schlafplatz sucht.

Der neue, motivierte, unerfahrene Jäger in einem alten, zunächst wenig bejagten und ruhigen Revier, der hierauf keine Rücksicht nimmt, wird zunächst unabhängig seines Verhaltens sehr erfolgreich jagen. Er kommt und geht wie es ihm gefällt, unbedarftes Wild ist in genügender Zahl vorhanden und so wird er leicht Beute machen. Er wird behaupten, man könne mit dem Auto bis unter den Hochsitz fahren, aufbaumen und in der Dämmerung des Morgens oder des Abends pünktlich und planmäßig seine Beute abholen. Seine Begründung wird sein, dass die Land- und Forstwirtschaft ja ebenfalls fahre und dass sich das Wild an diese Situation gewöhnt hat und er wird sich vermutlich für einen guten Jäger halten, denn er mache ja Beute.

So ist es zunächst auch, aber das Wild wird lernen zwischen dem Traktor des Bauern und dem Auto des Jägers zu unterscheiden und es wird bald wissen, dass der eine nur wegen ihm und der andere aus ganz anderen Gründen gekommen ist. Der Wildbestand wird durch des Jägers Erfolg abnehmen und diejenigen, die überlebt haben, werden dazu gelernt haben. Sie werden vorsichtig, sie werden heimlich, sie werden nachtaktiv und sie wissen schon am Klang der Autotür und an der Melodie des Schrittes, wenn der Jäger mit geladener Büchse anwesend ist. Schon ein Kind kann am Klang eines Motorengeräusches die dazu passende Fahrzeugmarke erkennen, ein Hund weiß schon lange bevor sein Herr die Haustür aufschließt dass dieser eintritt, warum sollte das Wild nicht ebenso dazu in der Lage sein? Und damit nicht genug, denn das Wild lebt nicht alleine, es kommuniziert, es tauscht Erfahrungen aus.

Der unbedarfte Jäger neigt dazu als nächstes die Nachtsichttechnik zu fordern, denn die anderen hätten sie ja auch. Zwar ist sie in Deutschland noch verboten, doch das nachtaktive Wild, die zunehmenden Wildschäden durch die Sauen, würden diese Technik geradezu fordern. So wie der Bauer, dem das Licht an seinem Fahrzeug gegeben wurde, der nun bei Sonnenuntergang keine Wahl mehr auf den Feierabend hat. Er muss heute im Flutlicht sein Feld bestellen, während derjenige, der dem Bauern den Traktor verkaufte bereits den Feierabend genießen kann. So wie der Bauer, so wird der in der Nacht sehende, aber einfältige Jäger, sich ebenso ins eigene Fleisch schneiden, in dem er nicht mehr des Nachts hinaus sitzen kann, sondern es zukünftig tun muss. Er wird der Sklave seiner selbst geforderten Möglichkeiten werden und er wird mit seiner neuen Macht scheitern, weil er nicht in dem Maße an Verstandes zunimmt, wie ihm sein Leben bequemer wird – er muss seinen Verstand nicht mehr haben und also wird er grundsätzlich auch den anscheinend überflüssigen Rest davon verlieren. Sollte ihm sein Irrtum später gewahr werden, so wird es zu spät sein und er wird ebenfalls in der Nacht pflügen müssen, weil die anderen es ja auch tun.

Zunächst wird er wie mit seinem bedenkenlosen Fahrzeugeinsatz im gut bestückten, ehedem ruhigen Revier erfolgreich sein, weil das Wild noch nicht gelernt haben wird. Aber bald wird das Wild die Plätze kennen, die es immer, also auch in der Nacht zu meiden gilt, es wird noch heimlicher werden, es wird noch mehr in den Dickungen stecken, es wird noch nervöser werden, die Wildschäden werden dadurch nicht geringer werden und nach einem Anfangserfolg, der dem unbedarften Jäger recht zu geben scheint, wird der Jäger sauer werden, denn er wird auch des Nachts trotz seiner modernen Technik immer weniger Wild sehen. Wir werden also zukünftig schlecht ausgeschlafene, zermürbte, missmutige Jäger mit Augenringen beobachten, die genauso erfolglos sind als wie zu vor. Und das Ende vom Lied wird sein, dass sich die Problematik verschärft, denn der originäre Jäger verdient seinen Lebensunterhalt nicht bei der originären Jagd und also wird er lieber zu Hause bleiben und das Revier nur nach Lust und Laune, am Tag und in der Nacht beunruhigen. Mehr Jagen wird er in der Summe kaum, denn auch seine Ressourcen sind nicht grenzenlos, und auch er ist aus Fleisch und Blut und braucht daher seinen Schlaf – er soll ihn haben, vor allem wenn er zu denjenigen gehört, die im wachen Zustand viel dummes Zeug machen.



[1] Da die Jagd ein gemeinnütziger Dienst für die Gesellschaft ist, sollten die privaten Freizeitaktivitäten den jagdlichen Aktivitäten vor allem im Wald nachgeordnet werden. Die Legitimation der Jagd steht damit über der Legitimation der restlichen Freizeitaktivitäten, die ausschließlich dem Privatvergnügen zuzuordnen sind. Der Jäger allerdings kann nicht von sich aus den gemeinnützigen Dienst der Jagd proklamieren, dies ist Aufgabe des Souveräns, der Gesellschaft – aber er darf gelegentlich darauf hinweisen, denn es geht nicht um den Jäger, sondern um die Jagd, das Wild, um unser Erbe und unsere Zukunft.

 

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