Spar Raps 00
21.04.2015 - , BM
Sie scheint fast jede Eigenschaft zu haben - je nach Informationsquelle: Sie sei krebsheilend und krebsfördernd, sie liefere ein hervorragendes Speiseöl das gesundheitsschädlich sei, man nutze sie für Maschinenschmiere welche Maschinen schade, sie lasse Hasen verenden, Rehe taub, blind und irre werden und sie wird nicht zuletzt als wichtige Äsungspflanze für Wildäcker empfohlen.
Es scheinen sich zwei Rapslager gebildet zu haben, welche die jeweils andere Seite der Lügen und Verbreitung von Verschwörungstheorien bezichtigt und ihre Argumente mit weissenschaftlichen Studien belegen. Es wird alles behauptet und alles bewiesen, auch das Gegenteil – Raps scheint ein universeller Universalstoff, ein göttliches Teufelszeug zu sein.
Einigkeit scheint darüber zu herrschen, dass es sich um einen Kreuzblütler handelt, deren Blüten aus vier, sich gegenüber stehenden, gelben Kronblättern bestehen. Die traubigen Blütenstände verleihen in ihrer Summe der Feldflur eine einzigartige, faszinierende Gelbfärbung, die sich bizarr aus einem Grün einer Landschaft abhebt. Aber nicht alles was im Auge leuchtet und die Phantasie eines Großhirnes beflügelt, salbt auch die Eingeweide. Nicht alles was gut schmeckt tut gut – das war einmal.
Um ein Universalkraut zu bewerten braucht es einen Universalgelehrten wie Hippokrates: Für ihn erlangte man Gesundheit durch ein Maß an Ausgewogenheit und Proportionalität. Er kam folglich zu seinem berühmten Schluss, dass Nahrungsmittel die Heilmittel und Heilmittel die Nahrungsmittel seien.
Ein weiterer, hilfreicher Geist ist Paracelsus. Auf ihn berufen sich alle Heiler, auch wenn sie sonst erbitterte Gegner sein mögen. Jedes Leben, so meinte dieser, habe einen eigenen Arzt, eine innere Stimme, welche auf ein ihm zuträgliches Zusammenspiel, Proportionalität, Synkratie der physiologischen und chemischen Vorgänge achte, also ein Instinkt, der jedem Leben innewohne. Paracelsus lieferte uns die Weisheit, dass die Dosis das Gift mache und nichts ohne Gift sei. Viel hilft viel – nein, Paracelsus sprach von einer Dosis, also von einer individuellen, richtigen Menge.
Eine richtige Menge wird uns durch die Entdeckung der Hormone durch Ernest Starling bestätigt, bei denen die richtige Menge in kleinster Dosierung Steuerungsfunktion hat aber darüber hinaus ihre Funktion nicht mehr erfüllen kann – wenig hilft viel.
Dass Tiere darüber nicht nachdenken müssen, sondern in ihrem natürlichen, störungsfreien Umfeld, ihrem Programm, ihrem Instinkt folgen, das Unverfälschte fühlen und für sie das Richtige tun ist bewiesen, denn sonst wären sie schon ausgestorben. Wenn Tiere Vielfalt vorfinden und von dieser nicht abgehalten werden, wenn ihr Rhythmus und ihre Wahrnehmung, ihr Fühlen, nicht beeinträchtigt werden, dann tun sie instinktiv das Richtige und sie fressen das Richtige - wenn sie es vorfinden. Das gilt selbstverständlich auch für originären Raps, dessen Glucosinolat und Eurucasäure die Äsung bitter machen.
Der Mensch kann inzwischen von vielem ein wenig, sogar künstliche Rapssorten erzeugen, welche diese bitteren Inhaltsstoffe nicht aufweisen, aber er kann nichts vollständig und er kann nichts besser herstellen als das worauf das Leben seit seiner Entstehung selektioniert wurde. Es ist ihm unmöglich die Natur zu verbessern, er kann sie nur in Kunst verwandeln - 00.
Warum also nicht einer Wildackermischung etwas originären Raps beimischen – es frisst ihn aufgrund der Bitterstoffe ohnehin kein Tier ohne Zwang in großen Mengen. Eine schöne, gelbe 00-Rapslandschaft, die dem Wild keine Vielfalt mehr bietet und zu deren Äsung das Wild nicht nur verleitet sondern durch Monokultur und Störung gezwungen wird, kann a priori für das Wild nicht zuträglich sein.
Ob Raps und dessen Produkte für den Menschen zuträglich sind, muss ein jeder für sich selbst entscheiden, denn jeder ist individuell, hat seinen eigenen Verstand und ist sein eigener Arzt.
Jedoch eines ist sicher: Nicht alles ist für alle gut.