Echinococcose – Fuchsbandwurm
17.09.2012
Der Mensch stellt in beiden Fällen ein Fehlwirt dar. Der deutsche Jäger fürchtet sich also davor Fehlzwischenwirt des Fuchsbandwurmes zu werden und nicht therapierbar zu sein. Dies ist vermutlich mit ein Grund, weshalb mancherorts die Abnahme der Jagdmotivation der Jäger auf den Fuchs beklagt wird und die Jagdstrecken des Fuchses deutlich hinter den des Rehs zurückbleiben. Das ist verständlich, denn die Fuchsjagd kostet Geld und das Leben, während die Rehjagd den Tisch deckt und die Wand schmückt. Der Jäger lernt während seiner Ausbildung einiges über die Wildkrankheiten und manch einer sieht nun sein Haupt schon gesalbt, wenn er nur schon etwas über die Echinococcose hört. Jede Krankheit ist jedoch nur so gefährlich wie das Risiko daran zu erkranken – darüber erfährt man recht wenig. Spekulationen gibt es sehr viele und so ist die Furcht möglicherweise größer als die reale Gefahr. Das Wissen über etwas ist eine Sache – was man daraus macht etwas anderes. Darum ein paar weitere Informationen, die eine Entscheidung über die Fuchsbejagung auch nicht abnehmen, aber helfen können das Risiko abzuschätzen und die Gefahr realistisch zu bewerten.
Der Kosmos des Fuchsbandwurmes:
Der Kreislauf des Fuchsbandwurmes stellt sich wie folgt dar: Der 2 – 4 mm lange Fuchsbandwurm schmarotzt in den Darmzotten des Fuchses, er gibt Eier in den Kot ab. Die ausgeschiedenen Eier werden vom Zwischenwirt oral aufgenommen, wandeln in ein Larvenstadium um, die im natürlichen Zwischenwirt in der Leber und an anderen Organen wirken, ihn schwächen und schließlich verenden lassen. Der Zwischenwirt wird zur leichten Beute des Fuchses, in dem sich der neue Bandwurm ansiedelt. Im Menschen wird vornehmlich die Leber befallen.
Dieser Zyklus, spielt dem eigentlichen Träger des Fuchsbandwurmes die Nahrung zu. Der Wirt des Bandwurmes wird kaum geschädigt, zunächst eher noch mit Beute versorgt. Der Bandwurm nutzt so den Wirt für seine Existenz und sorgt über den Zwischenwirt für seine weitere Verbreitung.
Gefährlichkeit:
Nach Prof. Dr. Klaus Brehm , einer der führenden Spezialisten auf dem Gebiet der Echinococcose, handle es sich zwar um eine seltene aber eine der gefährlichsten Parasitosen der Welt. Wird der Mensch als Zwischenwirt infiziert, so seien zehn Jahre nach der Diagnose 90 % verstorben. Die Therapiemöglichkeiten seien sehr begrenzt, es gebe bislang keine Heilung. Der Parasit wachse in der Leber des Zwischenwirtes wie ein Krebsgeschwür und erzeuge ein sich ständiges regenerierendes, unzerstörbares Gewebe, das für den Zwischenwirt letztlich letal sei.
Mit anderen Worten: Wer an der Echinococcose erkrankt, ist dadurch zum Tode verurteilt – wenn er nicht vorher stirbt.
Verbreitung:
Nach dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit seien in Baden-Württemberg, auf der Schwäbischen Alb, durchschnittlich 72 % der Füchse auch Träger des Fuchsbandwurmes.
Wenngleich es auch beim Befall lokale Unterschiede gibt, so kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass ein Jäger, der den Fuchs ernsthaft bejagt, zu einer Bevölkerungsgruppe gehört, die mit den größten Kontakt zu befallenen Tieren haben dürfte. Das Bayrische Landesamt nimmt für Baden-Württemberg eine konservative, statistische Schätzung von etwa 800 Echinococcose-Fällen bei der ländlichen Bevölkerung an. Inwieweit hiervon Jäger betroffen sind wird nicht genannt. Allerdings wird ausgeführt: „Die ermittelte Erkrankungshäufigkeit der ländlichen Bevölkerung in Hochendemiegebieten sollte Anlass zu Überlegungen für eine organisierte Frühdiagnostik in Risikogebieten sein.“
Dies zeigt, dass das Problem aus medizinischer Sicht durchaus ernst genommen wird aber hinsichtlich der zahlenmäßigen Relevanz vom deutschen Jäger möglicherweise überbewertet wird.
Prof. Dr. Klaus Brehm geht von jährlich etwa 20 bis 30 diagnostizierten Neuinfektionen im gesamten Bundesgebiet aus, wobei Männer und Frauen gleichermaßen betroffen seien. Berücksichtigt man die Inkubationszeit und den Krankheitsverlauf, so passt dies rein rechnerisch nicht ganz zu den Schätzungen des Bayrischen Landesamtes, was aber hinsichtlich der geringen absoluten Zahlen unerheblich sein dürfte, es mag auch daran liegen, dass nicht alle Neuinfektionen diagnostiziert werden. Geht man davon aus, dass die ländliche Bevölkerung häufiger davon betroffen ist, so sind sicherlich nicht alle Neuinfektionen bei Jägern zu suchen, auch sind Frauen unter den Jägern eher unterdurchschnittlich vertreten. Dies spricht eher nicht dafür, dass das jagen den Fuchses mit einer erhöhten Ansteckungsgefahr einhergeht.
Auf den Hund gekommen:
Obwohl der Hund von einer eigenen Variante der Echinococcose befallen wird (Zystische Echinococcose), scheint von ihm für den Hundebesitzer eine erhöhte Gefahr hinsichtlich der Alveoläre Echinococcose auszugehen. Man kann daraus schließen, dass der enge Kontakt zwischen Hund und Mensch diesen Vorgang begünstigt – die Larven werden möglicherweise durch den Hund, die Nase stets am Boden, keinen Kothaufen auslassend, nach Hause geschleppt.
Die Katze die ein Fuchs war:
Die Katze scheint zwar nicht so empfänglich für die Echinococcose, aber sie entwickelt ebenfalls ansteckungsfähige Larven, indem sie zum Beispiel befallene Mäuse frisst – und trägt diese dann in unsere Wohnstuben.
Zahlenspiel:
Selbst wenn alle Neuinfektionen bei Jägern vorkämen, wären das bei einer jährlichen Jagdstrecke von etwa 80.000 Rotfüchsen, in Baden-Württemberg und etwa einer halben Million im gesamten Bundesgebiet, rein rechnerisch eine Neuinfektion auf 25.000 erlegte Füchse.
Ansteckungsgefahr:
Der Fuchs scheidet die Bandwurmeier mit dem Kot aus, so ist es auch möglich, dass Wurmeier in der Decke und insbesondere um das Weidloch herum anhaften. Der Hauptinfektionsweg ist der stark mit Bandwurmeiern durchsetzte Kot, mit dem verschiedene Nager in Kontakt kommen beziehungsweise ihn aufnehmen. Der Jäger scheint hauptsächlich den Eiern in der Decke ausgesetzt. Die in der Öffentlichkeit so gefürchtete Übertragung über Pilze und Waldbeeren hingegen wird durch Prof. Dr. Klaus Brehm als eher unwahrscheinlich eingestuft. Offenbar sei es auch so, dass nicht alle Kontakte mit den Bandwurmeiern zur Infektion beim Menschen führten, er geht davon aus, dass der Mensch auch Abwehrmechanismen gegen diese Eindringlinge aufbaut und er so bei geringem Kontakt erst gar nicht daran erkrankt. Es gibt auch Theorien, die besagen, dass das UV-Licht recht schädlich für die Larven sei. Dies würde auch alle vorgenannten Wahrscheinlichkeiten der Übertragungswege stützen: Wenige Larven auf einer Oberfläche würden im Sonnenlicht absterben, frisch aufgewirbelte Kothaufen des Fuchses bei der Feldarbeit durch Maschinen hingegen, brächten frische, ansteckungsreife Larven in die Umgebung. Letztlich ist der genaue Ansteckungsweg nicht geklärt und bleibt vorläufig im Dunkeln – denkbar sind auch Kombinationen von verschiedenen Ansteckungswegen.
Wie dem auch sei: Das Robert Koch-Institut attestiert den infektiösen Eiern eine enorme Widerstandsfähigkeit gehen Desinfektionsmittel und Umwelteinflüssen. Sie seien über Monate ansteckungsfähig. Auch sehr tiefe Temperaturen von – 80 Grad könnten den Eiern erst nach Tagen schaden. Als Inkubationszeit wird eine Zeitspanne von Wochen und Monaten, bis hin zu 15 Jahren angenommen. Das mittlere Erkrankungsalter liege zwischen 50 und 60 Jahren.
Personen, die Kontakt mit infizierten Tieren hatten, sollten nach 4 Wochen, 6, 12 und 24 Monaten nach dem wahrscheinlichen Kontakt serologisch untersucht werden. Bei anhaltendem Infektionsrisiko sollten die Kontrollen zweimal jährlich weitergeführt werden. Um eine Infektion zu vermeiden gäbe es laut Robert Koch-Institut nur präventive Maßnahmen im Bereich der Hygiene: Beeren und Pilze kochen oder trocknen, Hände waschen etc.
Schlussbetrachtung:
Diese Erkenntnisse lassen, zusammen mit der Meldepflicht beim direkten Nachweis einer Echinococcose, keinen Zweifel an der Gefährlichkeit der Krankheit aufkommen. Die lange Inkubationszeit macht auch den Nachweis des genauen Infektionsweges und Zeitpunktes schwer. Wie die Erkrankten zur Echinococcose gekommen sind ist in der Regel nicht nachweisbar. Die Tatsache der hohen Fuchsstrecken und der relativ geringen Verbreitung der Echinococcose beim Menschen zeigen aber, dass die Ansteckungsgefahr bei der Fuchsbejagung eher untergeordnet sein dürfte und eher wenig mit der Jagdstrecke korreliert. Eine Verwendung von Handschuhen und Mundschutz senkt das Infektionsrisiko weiter. Es wird dem Jäger auch empfohlen den Fuchs vor dem Abbalgen zu wässern, damit eventuell vorhandene Eier im Balg anhaften und nicht eingeatmet werden. Sinnvoll erscheint auch den gestreiften Balg nicht dort zu trocknen, wo sich andere Personen aufhalten und sich aus Unwissenheit und Unvorsichtigkeit mit den möglicherweise vorhandenen Eiern anstecken könnten.
Die Fuchsdezimierung ist aus wildbiologischer Sicht zur Niederwildhege seit langem unstrittig notwendig. Die chemische Methode der Vergasung, wie sie in der Vergangenheit auch schon angewandt wurde, hat mit Jagd nichts zu tun, erinnert an Ungezieferbeseitigung und beschert hohe Kolateralschäden bei anderen Wildtieren. Heute werden nicht mehr die Füchse vergast, sondern die Tollwut wird durch Impfung temporär niedergekämpft. Der Nachteil - oder die Folgekosten - kommen jedoch prompt mit einer höheren Fuchspopulation und einer verschärften Fuchsbandwurmproblematik. Wer die Jagd abschaffen möchte, muss ein Freund des chemischen Eingriffes und oder der Gentechnologie sein – wer soll sonst den Fuchs bejagen und mit welchen Mitteln?
Der Jäger trägt zu den finanziellen Kosten der Fuchsbejagung insgesamt durch sein Weidwerk ein erhöhtes gesundheitliches Risiko. Inwieweit sich der einzelnen Jäger zu seiner „kulturellen Dienstleistung“ , zu den Kosten und einem in unserer Gesellschaft bisweilen zweifelhaften Ruf, auch noch das erhöhte gesundheitliche Risiko der Fuchsbejagung zumutet, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Am Stammtisch werden bisweilen Forderungen laut, dass der junge Jäger zunächst einmal Füchse jagen sollte, um sich seine Sporen zu verdienen. Wer so argumentiert verkennt man die Tatsache, dass gerade die Altersklasse der jungen Jäger aufgrund der Inkubationszeit überproportional gefährdet ist und die älteren keine Gefahr mehr zu befürchten haben. Wer also solches fordert, muss sich das Gegenargument gefallen lassen, dass es sinnvoller wäre die alten Jäger in den Kampf gegen den Fuchsbandwurm zu schicken, denn die sind ab einem bestimmten Alter quasi als „immun“ einzustufen. Da diese Polemik nicht weiter hilft, kann nur ein Schulterschluss der Generationen weiterhelfen: Die Alten müssen die Jungen einweisen, ihnen ihre Kniffe und Erfahrungen lehren und ihnen ihre berechtigten gesundheitlichen Bedenken nehmen. Dies funktioniert nicht, indem man die Schutzausrüstung in Form von Handschuhen und Mundschutz als modernen Firlefanz abtut und auch nicht indem man ihnen wilde Geschichten über die vielen durch den Fuchsbandwurm gestreckten Jäger erzählt. Der Junge hört zu, denkt sich seinen Teil, lernt schnell, sichert und sieht weg wenn Reineke anschnürt.
Der Jäger sollte sich weder als Schädlingsbekämpfer noch als Bösewicht fühlen, der durch den schlauen Fuchs zu Tode kommen könnte. Er muss daher nicht nur darüber informiert werden wie gefährlich diese Zoonose ist, sondern wie er sich vor der Gefahr schützen kann und wie wahrscheinlich deren Auftreten ist. Er benutzt sein gefährliches Gewehr mit der Selbstverständlichkeit eines alltäglichen Werkzeuges, weil er die Gefahr kennt und sich deshalb umsichtig verhält - er sollte es bei der Fuchsbejagung mit Information, Handschuhen und Mundschutz genauso handhaben, um mit frischem Mut ans Werk gehen und Reineke anschließend entspannt versorgen zu können.
Bm 2/2010
[1] Prof. Dr. rer. nat. Klaus Brehm. Institut für Hygiene und Mikrobiologie, Universität Würzburg
[2] Infektionsgefährdung durch Fuchsbandwurm, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 2009
[3] Eine statistische Schätzung mit Vertrauenswahrscheinlichkeit von 95%
[4]Unter der Annahme von 10 Jahren Inkubationszeit, 10 Jahren Krankheit bis zum Tode und gleichbleibenden Krankheitszahlen müssten es etwa 800/20=40 jährliche Neuinfektionen in der Bundesrepublik sein. Ob es nun 10 oder 100 Neuinfektionen sind, ist für die Fuchsbejagung aufgrund der geringen Anzahl von Erkrankungen letztlich unerheblich – jede weitere ist eine zuviel.
[5] Jagdstrecken Baden-Württemberg, Bildungs- und Wissenszentrum Aulendorf, Wildforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg.
[6] 500.000 Füchse/20 Neuinfektionen
[7] Der Hauptübertragungsweg über den Kot dürfte der Grund dafür sein, dass Landwirte und Hundebesitzer auch ohne Jagd überdurchschnittlich häufig betroffen sind. Hunde nehmen Kot auf und sind in engem Kontakt mit ihrer Familie – bei der Feldarbeit kommt man mit kontaminierter Erde in intensiven Kontakt, Feldarbeit wirbelt eine Menge Staub auf.
[8] Echinokokkose RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten – Merkblätter für Ärzte, Stand 25.11.2005
[9] Direkte Kosten in Form der Anlage und der Errichtung von Bejagungseinrichtungen, einschließlich der Bejagung selbst.
[10] Gerold Wandel